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Ab in den Urlaub! El Arenal zählt zu den beliebtesten Zielen deutscher Partytouristen. Am Ballermann-Strand gingen zwei Stuttgarter Fotografen in die Luft. Entstanden sind großartige Wimmelbilder vom Massentourismus.

Stuttgart - Ab in den Urlaub! El Arenal zählt zu den beliebtesten Zielen deutscher Partytouristen. Am Ballermann-Strand gingen zwei Stuttgarter Fotografen in die Luft. Entstanden sind großartige Wimmelbilder vom Massentourismus.

Wer sich erinnert, war nicht dabei. Dies sagen Malle-Touris, die stolz sind auf ihre Risse. Im Filmriss sollte mindestens ein Aufriss stecken. Als Ballermann-Viertel wird die Partyzone bezeichnet, die zum Strandort El Arenal gehört, der wiederum ein Teil der Inselhauptstadt Palma ist. Billigflieger bringen Menschen hierher, die auf der Suche nach dem Erlebnis sind. Es endet immer gleich. Das Wort Erlebnis endet mit S wie Suff, Sex, Strand.

„Biste braun kriegste Fraun“ singt man auf der zu Spanien gehörenden Insel. Und: „Du hast niemals 75 D, denn du bist flach wie der Bo-o-odensee !“

Wir kennen die Klischees von dieser Krawallmeile gut .Doch manchmal ist es besser, man geht auf Abstand zu seinen Vorurteilen und schwebt quasi davon. Die Stuttgarter Fotografen Dennis Orel und Oliver Kröning bringen uns mit einzigartigen Fotos zum Schweben. Als Buch sind sie nun mit Titel „El Arenal“ im weit ausgedehnten Querformat bei AV Edition erschienen (gefeiert wird der technisch ausgefeilte Band am Mittwoch, 5. August, 19 Uhr, im Tatti im Fluxus). Der Blick aus der Vogelperspektive lässt die berüchtigten Ballermänner zu harmlosen Figuren wie aus dem Playmobil schrumpfen. Die tun nix, die wollen nur dösen.

Wir sehen: Arenal hat einen blitzsauberen feinen Sandstrand. Das Meer scheint noch flacher als der Bo-o-odensee. Das Wasser ruht still und klar. Man möchte am liebsten hineinspringen.

Jeder entdeckt etwas anderes

Einer hat lange Hosen an. Um den Sonnenbrand zu schonen? Fünf Jungs liegen nebeneinander, alle mit der gleichen grünen Badehosen, die sie wohl im Fünferpack billiger bekommen haben. Man sieht Frauen, die oben ohne sonnen, Menschen, die ermattet Arme und Beine von sich strecken. Einer spreizt seine X-Beine so eigenartig, das es fast akrobatisch wirkt. Jeder, der die grandiosen Panoramen betrachtet, entdeckt etwas anderes. Die Luftaufnahmen des Massentourismus machen so viel Freude wie die gezeichneten Wimmelbilder für Kinder.

An manchen Stellen fügen sich die bunten Liegestühle, Sonnenschirme und Handtücher so stimmig in die grafische Gesamtkomposition ein, als hätten die beiden Fotokünstler alles von ganz oben arrangiert. Keine Frage: An diesen Fotos ist digital gefeilt worden. Was genau, bleibt das Geheimnis von Dennis Orel und Oliver Kröning. Wie ein Zauberer seine Tricks nicht verrät, verraten sie nicht, wie die vielen Einzelbilder aus einer Höhe von etwa 100 Metern entstanden sind, immer zur Mittagszeit, damit die Schatten hart fallen. Am Computer wurde dann alles zusammengefügt. Nein, nicht im Hubschrauber seien sie über den sechs Kilometer breiten Strand geflogen, wie schon zu lesen war. Dies sei auch gar nicht möglich, weil der spanische König in der Nähe seine Urlaubsresidenz hat und keine fremden Hubschrauber bei sich fliegen lässt. Auch keiner Drohne verdanken wir diese faszinierenden Strandperspektiven. Schon 2007 sind die Fotos entstanden, als es diese Fotoflugtechnik noch nicht gab.

Ruhe trotz Massentourismus

Schwebten die Fotografen mit der Kamera an Gleitschirmen über den Strand? Oder haben sie ein riesige Stange benutzt?

Der Mensch will Rätsel lösen – obwohl er selbst ein Rätsel ist. Orel und Kröning aber wollen mit ihrer Fotokunst die Magie bewahren – diese fast paradiesische Leichtigkeit, die von Sonnenanbetern ausgeht, die einer der schönsten Betätigungen nachgehen, die das menschliche Leben bietet, dem Träumen im Sand.

Kalendersprücheklopfer sagen: Flieg’ so hoch, wie du träumen kannst.

Der Sand verweht die Spuren des Alltags, der Partynächte, des letzten Filmrisses. Würde man heute solche Fotos machen, die meisten Strandbesucher würden am Smartphone rummachen. Es hat gedauert, bis aus den mit dem Canon Profifoto Förderpreis ausgezeichneten Fotos von 2007 ein Buch geworden ist. Längst hängen sie an vielen Wänden. Die Online-Galerie Lumas verkauft die El-Arenal-Luftbilder mit großem Erfolg.

Es sind Fotos, die trotz der Touristenmassen Ruhe ausstrahlen. In den sozialen Netzwerken mag die Bilderflut hektisch sein, unendlich groß – aus der Perspektive eines Vogels relativiert sich die Zappeligkeit der Menschheit. Auch wenn man das Buch weggelegt hat, wird man sich lange an die Strandszenen erinnern, als wär’ man dabei gewesen.