Majorie Vermeer begrüßt Gorillamädchen Claudia in ihrem neuen Gehege in Frankreich Foto: Vermeer

Gorillamädchen Claudia ist nach Frankreich umgezogen. Eigentlich ist sie dafür noch zu jung.

Stuttgart - Sie kam aus Münster und war nur ein halbes Jahr in der Aufzuchtstation der Wilhelma. Jetzt, im Alter von einem Jahr, ist das Gorillamädchen Claudia in einen Affenpark in Frankreich umgezogen. Ein Wagnis, denn normalerweise müssen kleine Affen mindestens drei Jahre lang aufgepäppelt werden.

Die erste Woche wird entscheidend für Erfolg oder Scheitern. Im Vallée des Singes, dem Tal der Affen, in Romagne unweit der französischen Atlantiküste leben 30 Arten von Primaten auf einem riesigen Gelände fast wie in Freiheit. Dort soll sich die 38-jährige Gorilladame Gaja des kleinen Mädchens aus der Wilhelma annehmen. Gaja ist Teil einer intakten Gruppe, zu der auch der friedliche Silberrücken Yaounde (27), die 40-jährige Virunga und die 26-jährige Gorillafrau Moseka zählen. Hinzu kommen fünf junge Tiere im Alter von zwei bis elf Jahren. Gaja gilt als ideale Adoptivmutter. Schon zweimal hat sie ihre eigenen Kinder wieder aufgenommen, nachdem diese monatelang von ihr getrennt und von Pflegern betreut wurden.

Auch Monza und Upala ziehen bald um

Revierleiterin Elke Kastner hat in den vergangenen Wochen versucht, Claudia so gut wie möglich auf ihre neue Umgebung vorzubereiten. Sie brachte ihr bei, das Fläschchen durch das Gitter anzunehmen, und trug sie häufig auf dem Rücken umher, wie es auch Gaja mit ihren Kindern macht. Am Mittwoch hieß es Abschied nehmen. In einer Box, geschützt und begleitet von Bea Jarczewski, der Leiterin des Menschenaffenreviers, ging es im Auto auf die rund 1000 Kilometer lange Reise nach Frankreich. "Claudia ist ein umgängliches, freundliches und fröhliches Kind", sagt Wilhelma-Sprecherin Karin Herczog. Auch deshalb stimmte die Wilhelma dem Versuch zu. Die Idee dazu hatte Jan Vermeer, Leiter des Affenparks in Frankreich und Mitglied in der Kommission des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP).

Die Eingliederung eines Gorillakindes in eine neue Familie gilt als besonders heikel. Übergriffe von Halbstarken aus der Gruppe können schnell lebensgefährlich werden. In der Regel geben die Zoos daher ein aufgezogenes Kind nicht vor dem dritten Lebensjahr ab, wenn nicht eine Adoptivmutter da ist, die sie beschützen kann. In diesem Fall sind die Bedingungen günstig. Akzeptiert Gaja ihre neue Tochter, dann kann Claudia bald lernen, wie sich Gorillas streiten, wie sie sich gegenüber dem Haremschef zu verhalten hat und wie man sich unterordnet. "Besuche bei den großen Artgenossen gehören bei uns zwar zum Pflichtprogramm, können aber das Lernprogramm innerhalb einer Familie nicht ersetzen", so Herczog.

Der frühe Umzug hat noch einen weiteren Grund. Die beiden anderen Gorillakinder der Aufzuchtstation, Monza und Upala, sind mit drei und zwei Jahren deutlich älter und werden bald ebenfalls umziehen. Claudia wäre dann alleine zurückgeblieben. Ende Januar kam sie aus Münster nach Stuttgart, weil ihre Mutter Gana gestorben war und die anderen Affen der Gruppe sie nicht aufziehen wollten.

Hier traf sie für wenige Wochen auf ihre einzige Verwandte, Halbschwester Mary Zwo. Die hat die Wilhelma Mitte März im Alter von drei Jahren verlassen. Sie lebt jetzt im Zoo in Zürich und ist auf bestem Weg, ein richtiges Gorillaweibchen zu werden.