Thomas Lehnen, Gärtner in der Wilhelma und zuständig für Kakteen, Sukkulenten und fleischfressende Pflanzen, führt die erste Gruppe hinter die Kulissen. Foto: Claudia Leihenseder

Dieses Mal stehen nicht die Tiere im Vordergrund: Die Minigärtner-Initiative will fürs Gärtnern werben und hat die Wilhelma besucht.

Bad Cannstatt - Begeistert zeigt das Mädchen mit den zwei geflochtenen Zöpfen auf eine rot-gelbe Blüte im Beet: „Guck mal, die hab ich auch zu Hause“, sagt sie. Die Augen strahlen. Sie hüpft aufgeregt weiter im Gewächshaus der Wilhelma. Ein paar Meter weiter findet sie noch ein Exemplar. „Die hab ich mal gewonnen“, erzählt sie ihrer Minigärtner-Kollegin und ist stolz, dass ihre Bromelie lauter Verwandte im zoologisch-botanischen Garten hat.

Eigentlich lassen die meisten Kinder beim Besuch in der Wilhelma die Gewächshäuser links liegen und eilen zu Affen, Robben oder den Giraffen weiter oben im Park. Aber bei dieser Gruppe Kinder zwischen neun und elf Jahren ist es anders. Sie haben sich bei den Minigärtnern in Nürtingen angemeldet und machen einmal pro Monat einen Besuch in unterschiedlichen Gärtnerbetrieben in der Region. So lernen sie von ausgebildeten Gärtnern, wie man mit den Pflanzen im Garten oder im Topf richtig umgeht.

Unter solchen Umständen haben die beiden Wilhelma-Gärtner Thomas Lehnen und Jürgen Rühle leichtes Spiel, als sie ihre kleinen Kollegen an diesem sonnigen Montagmorgen durch die Gewächshäuser leiten. Sie wissen schon, warum manche Pflanzen wie etwa die Wolfsmilchgewächse giftig sind oder warum Kakteen Stacheln haben. „Damit kein Tier sie anknabbert“, ist die einfache Antwort auf diese Fragen.

Der älteste Kaktus ist 135 Jahre alt

Neugierig hören die Kinder zu, wenn etwa Lehnen vom Goldkugelkaktus, bekannt auch als Schwiegermuttersitz, erzählt. „Unser ältestes Exemplar ist 135 Jahre alt“, sagt der Gärtner, der für Kakteen, Sukkulenten und fleischfressende Pflanzen zuständig ist. Vorsichtig fassen sie die Kakteen an und versuchen auch an die goldfarbene Wolle oben auf dem Kaktus zu kommen. Gar nicht so einfach, mit den Fingern an den vielen Stacheln vorbeizukommen.

Dann endlich geht es weg von den Besucherströmen und rein in die Gewächshäuser, die sonst nicht jeder betreten darf. Hinter den Kulissen sehen die Minigärtner einige der 35 Mitarbeiter, die die Pflanzen vorsichtig gießen, die Regenrinne säubern oder mit dem Hochdruckreiniger den Boden reinigen. Sie riechen an Vanille, an duftenden oder auch stinkenden Blättern und dürfen zu guter Letzt auch in die Kinderstube der Kakteensammlung.

Fein säuberlich stehen da Kaktee neben Kaktee, Wolfsmilchgewächs neben seiner Pflanzenschwester und lebende Steine in Reih und Glied. Damit auch jeder weiß, was da wächst, haben die Töpfchen je ein Schild mit dem Namen der Pflanze und wann sie ausgesät wurde. „Wir können quasi mit jedem Kaktus seinen Geburtstag feiern“, sagt Gärtner Thomas Lehnen.

Die Initiative Europa Minigärtner gibt es seit 2013

Für die Kinder vorbereitet hat er einen langen Pflanztisch mit Erde, Töpfen und Holzstäben. Denn einen Kaktus umzupflanzen ist eine piksige Angelegenheit – es sei denn, man nimmt gute Handschuhe – oder Werkzeug wie eine Kakteenbürstenzange oder auch eben Holzstäbchen. Ungeduldig stehen die Kinder bereit und lassen sich dann doch in Ruhe zeigen, wie das Umtopfen geht. Vorsichtig schütten sie mit ihren Händen Erde in den Topf, greifen mit den Holzstäbchen ihren Kaktus und platzieren ihn in der Topfmitte. Wieder kommt Erde dazu – und schließlich eine neue Erkenntnis: „Kakteen darf man nach dem Umtopfen nicht gießen“, sagt Lehnen. Erst nach zwei Wochen sollen die Minigärtner ihren Mini-Schwiegermuttersitz ein wenig wässern. Und diesen Rat werden die Kinder auch sicher befolgen.

Die Initiative Europa Minigärtner gibt es seit 2013 und ist von Bettina Gräfin Bernadotte ins Leben gerufen worden. Ziel ist es, Kinder nicht nur für das Gärtnern und Pflanzen zu begeistern, sondern auch Nachwuchs für den Gärtnerberuf zu generieren.