Der Waschbär zieht gerne in alte Dachstühle. Auch wenn die kleinen Petze possierlich aussehen, sie können größere Schäden verursachen. Foto: dpa

Tiere erobern urbane Lebensräume und siedeln sich in der Stadt an. Doch wo und wie leben unsere wilden Nachbarn? In der Serie „Wildtiere in der Stadt“ widmen wir uns diesem Thema.

Stuttgarter Norden - Was fällt einem zum Begriff Großstadt ein? Beton, Asphalt, Straßen, Autos und Züge vielleicht. Und dicht besiedelte Wohngebiete, Menschengewimmel, Lärm und Abgase. Aber Wildtiere? Dass sie urbane Lebensräume besiedeln, klingt erst einmal kurios. Doch offenbar ist dem so: „Der Fuchs ist zum Beispiel ein klassischer Kulturfolger. Er hat kein Problem damit, sich in der Stadt zurechtzufinden“, sagt Hagen Dilling, Leiter der Abteilung Forsten beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt.

Doch wo und wie leben unsere wilden Nachbarn? Und was ist zu tun, damit sich Mensch und Tier nicht zu sehr ins Gehege kommen? Wie kann man sich vor Schäden oder auch Krankheiten wie Staupe oder Fuchsbandwurm schützen? In der Serie „Tiere in der Stadt“ wollen wir unter anderem diese Fragen behandeln. Wir fragen Wissenschaftler, etwa vom Fachbereich Parasitologie an der Uni Hohenheim, aber auch andere Experten und Vertreter von städtischen Ämtern, die Tipps für ein einigermaßen friedliches Nebeneinander von Mensch und Tier geben können.

Der Tisch ist für die Tiere reich gedeckt

Doch was zieht Tiere in die Stadt? Egal ob Siebenschläfer, Dachs, Wildschwein, Marder oder Fuchs – der Mensch schafft ihnen oftmals gute Lebensbedingungen. In der Stadt finden sie gute Unterschlupfmöglichkeiten und der Tisch ist an vielen Orten reich gedeckt: Die liegen gebliebenen Essensreste von der abendlichen Grillparty im Park, der frische Biomüll auf dem Komposthaufen im Gartengrundstück oder die Pizza-, Döner- oder Burgerreste im Abfallkorb an der Straße: „Das ist im wahren Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen für die Tiere in der Stadt“, sagt Hans-Jörg Longin, Sachgebietsleiter des städtischen Vollzugsdienstes. Mancher Fuchs könne daher in der Stadt wie im Schlaraffenland leben und müsse so gut wie nicht mehr jagen. „Einen natürlichen Feind hat er in der Stadt auch nicht“, sagt Longin.

Auch der Waschbär wurde bereits in Stuttgart gesichtet. Die kleinen Petze durchwühlen den Müll, plündern Obstbäume und ziehen auf Dachböden ein. In Kassel ist ja schon seit Jahren der Bär los: „Es gibt ihn inzwischen auch hier, er taucht aber eher selten in Stuttgart auf“, sagt Hans-Jörg Longin. Zwei Fälle pro Jahr würden gemeldet, schätzt er. Vor einiger Zeit habe sich ein Exemplar in einem Kamin häuslich eingerichtet. Städtische Mitarbeiter mussten in Aktion treten, um ihn aus seinem behaglichen Zuhause zu vertreiben.

„Die Tiere sind sehr putzig“, sagt Dilling. Doch das sollte einen Hausbesitzer, Mieter oder Kleingärtner nicht dazu verleiten, ihn anzufüttern: „Irgendwann bringt der Waschbär dann seinen Kumpel mit“, sagt Dilling, der selbst aus dem Norden von Hessen stammt – einer waschechten Hochburg der Stadtbären. Ruck zuck entwickeln sich die possierlichen Tiere dann zur echten Plage. Das gilt im Übrigen auch für andere Arten. „Es ist verboten, Wildtiere zu füttern“, stellt Longin klar. So stehe es im Jagd- und Wildtiermanagementgesetz. Beim Eichhörnchen oder Spatz mag es harmlos sein, wenn sie Brotreste und Kuchenkrümel vom Picknick im Park aufpicken. Anders sieht die Sache beim Waschbär, Wildschwein, Fuchs oder Marder aus. Letztere haben jetzt Ranzzeit. Wenn der Marder in seinem Revier nach Rivalen riecht, reagiert er aggressiv. Konkurrenz macht ihn bissig. Erwischt er Autoschläuche, wird es teuer: Undichte Kühlmittelschläuche führen schnell zu Motorschäden. Angriffslustig können auch Bussarde, Elstern oder Krähen werden, wenn sie während der Brutzeit ihre Nester verteidigen. Wer dem frisch geschlüpften Nachwuchs in dieser Zeit zu nahe kommt, könne die eine oder andere Attacke aus der Luft erleben, weiß Longin. Vor Jahren habe eine ältere Frau aus Botnang wegen einer Elster ihr Haus zeitweise durch eine Kellertüre verlassen.

Im vergangenen Winter waren die Wildschweine in Feuerbach

Was Wildschweine anrichten, wenn sie in Gärten und Grundstücke eindringen, war im vergangenen Winter unter anderem in Feuerbach zu sehen: Die Streuobstwiese an der Hohewart sei von den Wildschweinen regelrecht umgegraben worden, berichtete Helmut Wirth vom Wein-, Obst- und Gartenbauverein bei der Mitgliederversammlung im Juli. „Wir hatten die Sauerei schon einmal im Winter 1996/1997 und hatten dort einen Rechtsanwalt hinzugezogen, der auch hoffte, dass man den Schaden ersetzt bekommt. Leider ist dies nicht der Fall, eingezäunte Grundstücke fallen aus den jeweiligen Jagdgebieten heraus“, weiß Wirth. Die Schwarzwild-Population ist in den vergangenen Jahren in ganz Baden-Württemberg gestiegen. Der Grund dafür liegt auch am Klimawandel. „In milden Wintern ist die Sterblichkeitsrate geringer“, sagt Hagen Dilling. Den Wildtierbestand mit wissenschaftlichen Methoden zu erheben, sei aber praktisch nicht möglich.

Informationen für ganz Baden-Württemberg zum Thema Wildtiere in der Stadt bietet die Internetseite www.wildtiere-stadt.wildtiere-bw.de. Sie ist das Ergebnis eines Projektes des Lehrstuhls für Wildtierökologie und Wildtiermanagement der Universität Freiburg.