Inga Santovito kümmert sich um die Mitarbeiterverwaltung. Die Beschäftigten reparieren, warten und bewachen Fahrräder am Feuerbacher Bahnhof. Foto: Marta Popowska

Was an Fahrräden vom Kirchentag übrig blieb, haben die Mitarbeiter der Fahrrad-Service-Station bei einem Flohmarkt verkauft. Das Sozialunternehmen der Neuen Arbeit bietet aber noch mehr: Wartung, Reparatur, Verleih und bewachtes Parken – und für viele Mitarbeiter eine Perspektive.

Zuffenhausen - Kurz nach Zehn findet nicht mehr jeder was er oder sie sucht. So ergeht es auch der Mutter, die an diesem Freitagmorgen zum Fahrradflohmarkt an der Fahrrad-Service-Station beim Feuerbacher Bahnhof gekommen ist und gerne ein 24-Zoll-Rad für ihren Sohn hätte. „Keines mehr da“, sagt ein Mitarbeiter. Obwohl der Flohmarkt für 10 Uhr angekündigt war, standen schlaue Käufer schon um Neun auf der Matte. Nicht jeder Schnäppchenjäger ist sozial schwach oder arbeitslos, die Mitarbeiter, die die gebrauchten Räder flott gemacht haben, dagegen schon. Für viele ist es ein Wiedereinstieg ins Arbeitsleben.

Wer sich fragt, was aus all den Fahrradspenden zum Kirchentag geworden ist, bekam beim einmaligen Flohmarkt am Gleis 1 des Feuerbacher Bahnhofs die Antwort. Nachdem die Besucher Stuttgart wieder verlassen haben, müssen nun auch die Räder weg. Zwar stehen meist um die zehn Drahtesel zum Verkauf in der Station herum, doch das Kerngeschäft liegt woanders.

Die Station, die ein diakonisches Sozialunternehmen der Neuen Arbeit ist, bietet Wartung, Reparatur, Verleih und bewachtes Parken – auch über Nacht. Neben Feuerbach gibt es das Angebot auch in Möhringen, Vaihingen und Bad Cannstatt, immer im Bahnhof oder in direkter Nähe. Wer sein Rad bewacht abstellen möchte, zahlt 50 Cent pro Tag, 2 Euro pro Woche oder 5 Euro für einen Monat. Bereits für 3 Euro kann man ein Fahrrad den halben, für 5 Euro den ganzen Tag ausleihen.

Doch es gibt auch ein Angebot, das bislang nicht jedem offensteht. „Fahrräder reparieren lassen können bei uns nur Bonuscard-Besitzer oder Bedürftige“, erklärt Inga Santovito, die hofft, dass sich das noch ändert. Sie ist zuständig für die Mitarbeiter und die Verwaltung aller Stationen, doch beim Flohmarkt packt sie mit an, berät, erklärt, verkauft, während ihr Telefon ständig klingelt. Nicht selten ist das Jobcenter am anderen Ende der Leitung, denn nicht nur ein großer Teil der Kundschaft, sondern auch ihre Mitarbeiter blicken auf ein Leben zurück, das von Arbeitslosigkeit bis hin zu Suchterkrankungen geprägt ist.

Die meisten sind Langzeitarbeitslose über 50, die als Ein-Euro-Jobber in der Werkstatt arbeiten. Andere kommen über Maßnahmen wie „Produktiv in Arbeit“, kurz PIA, die den Schwerpunkt auf die Spezialisierung der Leute setzen. „Sie erhalten kein Geld, dafür aber Schulungen und können sich als Fahrradmonteure qualifizieren“, erklärt Santovito. Derzeit würden acht ihrer Schützlinge die Prüfung bei der IHK absolvieren. Für die Kosten kommt die Neue Arbeit auf.

Was an dem Projekt so „super“ ist, liegt für Santovito auf der Hand: „Die Menschen haben mehr Geld in der Tasche und mehr Ordnung in ihrem Leben.“ So mancher käme anfangs betrunken durch die Türschwelle. Am Ende bekämen sie „ihren Arbeiterstolz wieder“. Auch an diesem Vormittag schaut ein Mann vorbei, der nach der Fahrrad-Station erfolgreich ins Berufsleben zurück gefunden hat. „Er ist jetzt stellvertretender Leiter in einer Supermarktfiliale“, betont sie. Solche Neuigkeiten freuen sie jedes Mal aufs Neue. Laut Santovito würden an die 80 Prozent der Feuerbacher Mitarbeiter wieder ins Berufsleben zurückfinden. „Das liegt aber daran, dass wir die Leute begleiten und am Ende der Maßnahme nicht einfach rausschmeißen“, betont sie.

Viele würden aber am liebsten dauerhaft in der Fahrrad-Station bleiben, weil ihnen die Arbeit Freude bereitet. Auch Robert Pfeffer, der erst als Ehrenamtlicher begonnen und dann zwei Mal einen Jahresvertrag erhalten hat. „Ende des Monats läuft mein Vertrag aus. Ob es hier weitergeht hängt vom Jobcenter ab“, sagt er.