Vorbild London: Der rote Doppeldecker-Bus mit Cabrio-Deck dreht hier schon seit vielen Jahren seine Runden. Foto: StN

Stuttgart ist auch eine Tourismusstadt. Etwa 600 Millionen Euro geben allein die Übernachtungsgäste im Jahr aus. Ein immenser Wirtschaftsfaktor, den Tourismuschef Armin Dellnitz stärken will. Er plädiert für mehr Mut, dafür, die Bustouren weiterzuführen und das Neue Schloss für alle Bürger zu öffnen.

Stuttgart - Bei ihm ist das ja auch Fortbildung. Urlaub nur um des Erholens willen macht ein Tourismusdirektor nicht. Natürlich schaut man sich auch immer um, wie es die anderen machen. Doch heuer verzichtet Armin Dellnitz, Chef von Stuttgart-Marketing, auf sein persönliches Reiseseminar. Den Urlaub hat er sich selbst gestrichen, statt sich in der Ferne zu vergnügen, arbeitet er in der Heimat. Es gilt, neue Stadtrundfahrten für Touristen zu entwerfen. „Das ist unheimlich wichtig für den Tourismus-Standort“, sagt er, „da arbeiten wir derzeit intensiv dran.“

Es geht um die sogenannten Stuttgart-Touren. Rote Busse der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) fahren auf zwei Routen durch die Stadt, jeweils ungefähr eine Stunde lang. Per Kopfhörer bekommt man die Sehenswürdigkeiten erläutert, auf vielen Sprachen, etwa Englisch, aber auch Schwäbisch. Der Fahrgast kann an jeder Haltestelle aussteigen, verweilen und mit einem der folgenden Busse weiterfahren. Weil der Touristiker gerne was auf Englisch sagt, wenn es auch auf Deutsch ginge, heißt das offiziell Hop-on und Hop-off-System.

Nun fahren aber nur 1700 Gäste im Schnitt je Monat mit, das heißt, die SSB legen drauf, etwa 200 000 Euro im Jahr. Deshalb wird das Angebot nach drei Jahren Ende Dezember eingestellt. Auf das Angebot allerdings will Dellnitz nicht verzichten. Ideen gab es einige, Stadtrat Alexander Kotz (CDU) wollte bei Mercedes eigens ein Sprinter-Cabrio bestellen, als „Hingucker“. Dellnitz schwebt dagegen der Klassiker vor. „Ein Doppeldecker-Cabrio“, bekannt und bewährt aus anderen Städten. „Wir sind derzeit in Verhandlungen mit Anbietern“, sagt er, „und wir hoffen, im Herbst Konkretes präsentieren zu können.“

„Wir müssen aus einem Euro vier oder fünf machen“

Natürlich so billig wie möglich. Denn aasen kann er nicht mit dem Geld. Zwar geben die Übernachtungsgäste je Tag etwa 200 Euro in der Stadt aus, bei 3,1 Millionen Übernachtungen sind das etwa 600 Millionen Euro im Jahr, ganz zu schweigen von den Tagesgästen, der Etat von Stuttgart-Marketing liegt aber bei 6 Millionen Euro, 2,5 Millionen Euro davon bleiben für Werbung. „Wir müssen aus einem Euro vier oder fünf machen“, sagt Dellnitz, „das ist unser Job.“ So kooperiert er mit in.Stuttgart, der IHK, dem Mercedes-Museum „und allen anderen Spielern in der Stadt“. Immer mit dem Ziel klarzumachen, dass Stuttgart eine Reise wert ist.

Bisher war es das vornehmlich für Reisende, die zu Messen und Kongressen kamen oder sonstige Geschäftstermine wahrnahmen. Das sind immerhin 74 Prozent aller Übernachtungsgäste. Der klassische Städtereisende ist eine Minderheit. „Das wollen wir ausbauen“, sagt Dellnitz, deshalb müsse man das Image schärfen, unverwechselbarer machen. Da hat man in der Vergangenheit schon das Angebot durchforstet, konzentriert sich in der Werbung auf die „Unique Selling Points“. Frei übersetzt sind das die Sachen, die es nur hier gibt.

So wirbt man in Italien mit dem Volksfest, geht mittlerweile Jahr für Jahr mit einem kleinen Ableger des Wasenrummels gen Süden und preist so den Ausflug nach Stuttgart. an. In Asien und den USA ist Stuttgart „die Automobilstadt“. Die Inder oder Chinesen müssten auf der Karte schon nach Deutschland suchen, „die haben oft eine Woche Zeit für Europa“. Da konkurriert Stuttgart dann nicht nur mit Berlin, München und Frankfurt, sondern mit Paris und London. Doch die Museen von Mercedes und Porsche hätten dazu geführt, dass Stuttgart auch in Asien auf der Landkarte erscheint. Nach der Landung in Frankfurt und vor der Fahrt nach Paris steht mittlerweile auch ein Besuch bei Mercedes und Porsche auf dem Programm. „Dadurch haben wir die Gäste hier“, sagt Dellnitz, „nun arbeiten wir daran, dass sie auch übernachten.“ Dafür allerdings muss sich auch die Hotellerie umstellen. Dazu gehöre, dass man an der Rezeption Chinesisch spreche, ein Wasserkocher auf dem Zimmer sei, es Speisekarten auf Chinesisch gebe.

Dellnitz wünscht sich mehr Mut

„Daran müssen wir arbeiten“, sagt Dellnitz, „ebenso wie wir unsere Stärken ausbauen müssen.“ Sehnsüchtig wartet er auf die Mercedes-Welt im Neckarpark, „das bringt uns wahnsinnig viel“, ebenso wie die Werkbesichtigungen bei Daimler in Sindelfingen. „Das ist spannend und läuft total gut.“ So etwas gebe es in Übersee nicht.

Überhaupt, mehr Mut wünscht er sich. „Wir reden zu wenig über Visionen, was erreichbar ist in absehbarer Zeit.“ In der Stadt herrsche eine unheimliche Dynamik, und er wünsche sich mehr Freude und Begeisterung. „Es ist wichtig, diese Entwicklung mitzugestalten.“ Eine neue Liederhalle oder ein Völkerkundemuseum auf dem frei werdenden Gleisgelände seien auch aus touristischer Sicht wünschenswert, „aber es gibt auch genug Pläne, die bestehende Gebäude betreffen“. So habe eine kleine Gruppe von Hoteliers vorgeschlagen, die Bahnhofshalle später als Veranstaltungshalle zu nutzen. Die Pläne von Flughafenchef Georg Fundel, die Wilhelma an den Neckar zu erweitern, seien spannend. Auch die Idee, das Neue Schloss für alle zu öffnen, sei bestechend.

Allerdings blockieren hier die Landespolitiker, sie wollen im Schloss weder Touristen noch Bürger sehen.