Ein erfrischender Sprung ins Ungewisse: mit diesem Motiv aus dem Höhenfreibad Killesberg hat das kleine Festival „Wetterleuchten“ für sich geworben. Foto: raumservice

Der Sommermarkt der unabhängigen Verlage unter dem Titel „Wetterleuchten“ hat im Stuttgarter Literaturhaus bekannte Gesichter und unbekannte Bücher präsentiert.

Stuttgart - Wer die fast einwöchigen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt im März und Oktober kennt, weiß, wie anstrengend so ein Event sein kann. Die Stuttgarter Variante, der Sommermarkt der unabhängigen Verlage, der jetzt am Samstag unter dem Titel „Wetterleuchten“ erstmals im Stuttgarter Literaturhaus stattfand, versteht sich dagegen eher als Festival für literarische Flaneure. Die Wege sind kurz und die Küche ist im Haus, so dass eher der Eindruck eines großen Familienfests aufkommt als der einer kommerziellen Messe. Zwölf Stunden, von elf Uhr am Vormittag bis eine Stunde vor Mitternacht, wurden zwei Etagen des Hauses im Boschareal mit Büchertischen von vierzig kleinen Verlagen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich bespielt: von A wie dem auf Comics spezialisierten Avant-Verlag aus Berlin bis zu W wie dem Wunderhorn Verlag aus Heidelberg.

Viele von ihnen hatten ihre Autoren gleich mitgebracht, die in halbstündigen Lesungen im Vortragssaal ihre Neuerscheinungen vorstellen durften. So konnte das zahlreiche und diesmal, anders als bei vielen Veranstaltungen im Literaturhaus, auch auffällig junge Publikum zwischen Dichterlesung, Blättern in schön gemachten neuen Büchern und Smalltalk am Restaurant-Tresen oder auf der Terrasse entspannt hin und her wechseln. Für die Kids gab’s ein eigenes Kinderprogramm, aber die Kleinen schienen auch Gefallen am Paternoster des Literaturhauses zu finden, in dessen fünfzehn Kabinen man mit Illustrationen zu Gedichten rauf und runter fahren konnte.

Heiße Nächte in Bolero-Bars

Das mit dem Familienfest ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn viele dem Literaturhaus verbundene Ex-Stuttgarter hatten sich eingefunden. Der seit Langem in Berlin lebende Lyriker Ulf Stolterfoht („Holzrauch über Heslach“) ist mit seiner Brueterich Press unter die Verleger gegangen und konnte stolz das Programm seines „schwierige Lyrik zu einem sehr hohen Preis“ anbietenden Verlags präsentieren. Der ehemalige Literaturhausleiter Florian Höllerer moderierte zwei Neuerscheinungen aus dem Bereich der Graphic Novel, und der von Stuttgart nach Leipzig abgewanderte Literaturkritiker und Übersetzer Joachim Kalka stellte, passenderweise am frühen Abend, seine unter dem Titel „Der Mond“ im Berenberg Verlag veröffentlichten lunarischen Fundstücke aus der Literatur- und Kulturgeschichte vor.

Die Bücherschau und die gut besuchten Lesungen zeigten, welches breite thematische wie formale Spektrum die beteiligten Verlage abdecken, und bewiesen damit, wie unverzichtbar die Kleinverlage neben den großen und oft schwerfälligen Tankern wie Suhrkamp, S. Fischer, Hanser oder Rowohlt sind. Da gibt es etwa bei Jung und Jung einen wunderschönen Band mit dem Titel „Revolution in Kuba – Fotografien 1953 – 1968“ mit unbekannten Aufnahmen des jungen Fidel Castro oder von Che Guevara zu entdecken. Die Fans der aktuellen kubanischen Literatur kamen dagegen mit Leonardo Padura auf ihre Kosten, der diesmal für seine Buchvorstellung keinen Kriminalroman mitgebracht hatte, sondern mit „Neun Nächte mit Violeta“ (Unionsverlag) einen Erzählband über heiße Nächte in den Bolero-Bars von Havanna.

Die aus Syrien stammende und jetzt in Berlin lebende Autorin Rasha Abbas hat in „Die Erfindung der deutschen Grammatik“ (Orlanda Verlag) eine launige Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten der deutschen Sprache vorgelegt, Marina Caba Ralls Roman „Esperanza“ (Wagenbach Verlag) widmet sich dunklen Kapiteln der Franco-Ära in Spanien, und Arno Camenisch aus dem Engadin rockte in seiner Performance „Die Kur“ (Engeler Verlag) den Saal mit den Wortgefechten eines alternden Ehepaars in einem Schweizer Grandhotel.