Werner Wölfle setzt auf das Umdenken der Projektträgerin und der SPD bei Stuttgart 21.

Stuttgart - Der Stuttgarter Werner Wölfle steht bereit für eine Funktion in der Regierung. Zuerst möchte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag aber die SPD bei Stuttgart21 auf ein anderes Gleis bringen.

Herr Wölfle, die Grünen möchten das Projekt Stuttgart21 vor einer Volksabstimmung beenden, die SPD will den Bahnhof und die Volksabstimmung. Wie soll das passen?

Wir alle sind aufgefordert, uns mit der neuen Faktenlage mit Stresstest und Ähnlichem zu befassen und sie zu bewerten. Ich kann mir gut vorstellen, dass dann Heiner Geißlers Wort zutrifft, dass man über eine Leiche nicht mehr abstimmen muss.

Worauf gründet sich Ihr Optimismus?

Die Bahn AG steht nicht mehr unter dem politischen Druck, das Projekt zu realisieren. Nun tut sie sich leichter zu sagen: Die zur Verfügung stehenden Gelder reichen nicht. Die Bahn AG versteht die neue Regierung nicht als Feind. Klar, allein wird sie nicht abspringen, aber mit Hilfestellung ist es möglich.

Die SPD kann das Projekt doch nicht einfach verloren geben. Sie hat eine Volksabstimmung zur Bedingung gemacht.

Das basiert auf der Ausgangslage vor der Schlichtung und der Wahl. Es gibt aber auch einen SPD-Beschluss, dass Stuttgart21 das Land keinen Cent mehr kosten darf als vereinbart. Es bietet sich also schon Spielraum für die SPD.

Will man nicht die gesamte Materie einem Volksentscheid überantworten, muss ein Kompromiss her. Was geht bei den Grünen?

Wir möchten auf keinen Fall den Tiefbahnhof und auch keine Neubaustrecke Stuttgart-Ulm, die für richtige Güterzüge ungeeignet wäre. Wir streben eine Ertüchtigung der Gleisinfrastruktur an, für die im Wesentlichen die bestehende Trasse genützt wird. Aber es zählt ja nicht nur unsere Meinung.

Wäre es möglich, dass die SPD auf den Tiefbahnhof verzichtet, die Grünen eine ICE-Strecke vom Neckartal über die Alb akzeptieren?

Grundsätzlich wäre eine solche Strecke ohne Tiefbahnhof möglich. Sie hätte auch einen gewissen Vorteil für den Bahnverkehr, wenn man die Kostenfrage ausblendet. Wirtschaftlich wird sie aber nur durch Rechentricks. Da müsste man abwägen.

Dann würde aber der Flughafen von der ICE-Strecke abgehängt, oder nicht?

Die Flughafenanbindung wurde bei der Bahn AG schon lang als Wunsch der Politik betrachtet. Aber für die wenigen Fahrgäste etwa aus dem Ulmer Raum, die am Flughafen einen ICE-Halt schätzen, rentiert sich das nicht. Ähnlich ist es mit der Acht-Minuten-Fahrt zwischen einem Tiefbahnhof in Stuttgart und einem ICE-Flughafenbahnhof. Dafür kauft kein Mensch ein ICE-Ticket.

"Der Flughafen wird ein Flughäfele bleiben"

Die Flughafenchefs erwarten sich davon eineinhalb Millionen zusätzliche Fluggäste.

Das diente der Rechtfertigung der zusätzlichen 112 Millionen Euro für die Bahn AG, mit deren Hilfe man eine Wirtschaftlichkeit des Projekts hinrechnete. So eine Fluggast-Steigerung würde nur schneller die Kapazität der Startbahn ausschöpfen. Wir wollen aber, dass es bei einer Startbahn bleibt. Wir möchten auch den Siedlungsdruck auf die Filderlandschaft nicht weiter erhöhen. Der Flughafen Stuttgart wird ein Flughäfele bleiben. Für ihn und die Messe kann man das bestehende S-Bahn-Gleissystem verbessern. Meinetwegen können Flughafenchef Fundel und ich gleich morgen mit dem Verkehrsverbund über einen dichteren S-Bahn-Takt und ein besseres Angebot der Regionalbahn verhandeln.

Für Fundels eigentliches Anliegen haben Sie null Verständnis?

Ich erkenne bei Herrn Fundel bisher kein ernstes Engagement für einen besseren Zugverkehr. Jetzt müssen ankommende Fluggäste oft in der zugigen S-Bahn-Station 20 bis 25 Minuten warten.

Damit wollen Sie auch die SPD umstimmen?

Ich möchte sie auf jeden Fall nachdenklich machen. Ich verstand noch nie, warum sich die SPD strategisch so an Stuttgart21 fesselt. Stimmen brachte ihr das nicht. Stuttgart 21 ist ein wichtiges Thema, bei dem wir Dissens haben. Aber gemessen an der historischen Chance einer grün-roten Landesregierung ist es kein Thema, für das sich ein Scheitern der Koalition lohnen würde.

Worin liegt die Chance?

Dass Grün-Rot in Bildung, Umwelt und Sozialem umsteuert. Und auch darin, dass die grün-roten Mehrheiten auf Landesebene und in der Landeshauptstadt im Wechselspiel viel erreichen können. Thematische Schnittmengen gibt es viele.

Sie waren eine Galionsfigur der Grünen bei den Stuttgart-21-Gegnern. Wie beurteilen Sie Ihren Anteil am Wahlerfolg der Grünen? Wie wollen Sie belohnt werden?

Ich finde, dass ich den Spagat für die Grünen zwischen Teilhabe an der Bürgerbewegung und parlamentarischer Rolle ganz gut hingekriegt habe. Das brachte uns landesweit Stimmen. Die Stuttgart-ferne Haltung der früheren Regierung hat der Landeshauptstadt geschadet. Eine Stuttgarter Vertretung in der Regierung wäre vorteilhaft.

Als Staatssekretär oder Minister?

Das entscheide nicht ich. Auf jeden Fall würde es mich nach langer parlamentarischer Arbeit sehr reizen, Verantwortung im operativen Bereich zu übernehmen und die Aufgabe verantwortlich auszufüllen - ob im Sozialen, wo ich beheimatet bin, oder beim Thema Verkehr, das ich auch gelernt habe.