Werner Sobek Foto: LG/Max Kovalenko

Als Grenzgänger zwischen Ingenieurskunst und Architektur ist Werner Sobek international bekannt. An diesem Samstag erhält er in der Staatsgalerie Stuttgart den Fritz-Leonhard-Preis, einen der renommiertesten Ingenieurpreise.

Stuttgart - Eigentlich ist alles ganz einfach: „Die Frage“, sagt der Ingenieur und Architekt Werner Sobek, „lautet nicht ,Wie haben wir gewohnt und gearbeitet?‘, sondern sie lautet ,Wie werden wir wohnen und arbeiten?‘.“ Zwei herausragende Lehrstühle der Universität Stuttgart – vormals von Frei Otto und Jörg Schlaich bekleidet – hat Werner Sobek in dem von ihm geleiteten Institut für Leichtbau-Konstruktion vereinigt, internationale Lehraufträge hat er zudem, und doch ist da zuerst und vor allem das eigene Büro mit der Schaltstelle Stuttgart und den Dependancen in Frankfurt und Chicago.

Einer, der auszog – das ist Sobek fürwahr. 1951 in Aalen geboren, tritt er nach dem Ingenieur- und Architekturstudium an der Universität Stuttgart in das Büro Schlaich, Bergermann & Partner ein. Von 1991 an Professor an der Universität Hannover, gründet er 1992 das Büro Werner Sobek Ingenieure. Natürliches Wachstum beschäftigt ihn, die Frage auch, wie Gebautes beschaffen sein muss, um wiederverwertbar zu sein.

Ist aber der mitunter kühl wirkende Analytiker der richtige Mann für die Nachfolge des Vordenkers Frei Otto, dessen Institut für Leichte Flächentragwerke fast Kultstatus hatte? Diese Frage wird gern diskutiert im Jahr 1994. Sobek antwortet – mit Ideen, mit Zuspitzungen auch in der Materialforschung. Das scheinbar Unmögliche möglich zu machen – für Sobek ist dies ständige Herausforderung. Nicht weniger als „die unbedingte Antizipation des Kommenden“ nimmt er denn auch als Selbstverpflichtung – auch dann, wenn sie „vielleicht hier und da in die falsche Richtung führen kann“.

Sobek versteht die eigene Unbedingtheit als Notwendigkeit, auch und gerade der Qualität des Denkens geschuldet. Und so illustriert er denn das Selbstverständnis seines Büros mit einem Hegel-Zitat „. . . dass die Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist“.

Immer wieder dringt Sobek, von Stuttgart aus mit seinem Büro weltweit aktiv, darauf, etwas zu wagen, die Grenzen des Möglichen zu verschieben. Nicht, weil es der Architektenseele guttut, „sondern weil es notwendig ist“, um die „Herausforderungen der internationalen Umwälzungen“ anzunehmen. Sobek sieht die sich energetisch unabhängig machende Behausung, die rückstandsfrei wieder verschwinden kann, wenn sie sich als Irrtum herausstellt, als Anforderung – und mag als Grund für die Fließbandproduktion des Gegenteils nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich machen, sondern sieht das Bauen eingeschnürt in eine unbeherrschbare, aber deutlich innovationshemmende Flut an Vorschriftsparagrafen.

R 129 heißt Sobeks Antwort auf die skizzierten Anforderungen – eine überall aufbaubare und wieder abbaubare Behausung, die nicht nur den Philosophen Peter Sloterdijk an die bemannte Raumfahrt erinnert. Einem gläsernen Ufo gleicht ja doch, was Sobek als „Habitat“ vorstellt, als Behausung, in deren Innerem keine aufgesetzte, sondern reale Flexibilität herrscht. „Eine Küche“, sagt Sobek mit einem Seitenblick auf aktuelle Gigantismen nie beschmutzter Raumteiler, „muss dann als Küche nutzbar sein, wenn sie als solche gebraucht wird, sonst nicht.“ Folgerichtig schwärmt der Ingenieur Sobek von Werkstoffen, die ein temporär nutzungsorientiertes „Ausformen“ erlauben, während der Architekt Sobek nur zu gerne in einem historischen Exkurs belegt, wie weit sich Nutzung und Form von Bauelementen voneinander entfernt haben, und etwa ein Dach noch immer seuchensichere Vorratshaltung suggeriert, wenn ihm der Giebel vorgegeben ist.

Nur unter überkommenen Vorstellungen könnte man denn, sagt Sobek, davon sprechen, dass R 129 künftigen Bewohnern das Dach „wegnehme“. Das Dach ist ja da – und garantiert jenen überwältigenden Ausblick, den sich auch der achtjährige Werner Sobek vorgestellt hat. Auf einer Albwiese liegend hatte er überlegt, wie es wohl sei, in einer Seifenblase zu leben.

Grenzgänger ist Werner Sobek ganz offiziell – als Impulsgeber des Vereins für Architektur, Engineering und Design (aed). Architekten, Ingenieure und Gestalter suchen und realisieren unter der aed-Flagge nach übergreifenden Projekten. Geht es nach Werner Sobek, könnte man dabei in der Metropolregion Stuttgart jedoch noch viel weiter gehen.

„Die Region Stuttgart“, sagt Sobek unserer Zeitung, „verfügt über ein enormes Potenzial an Gestaltern – sei es im Bereich der Architektur, des Industrie- und des Kommunikationsdesigns, der Fotografie oder bei der Ausstellungsgestaltung. Diese kreative Kraft und Vielfalt muss viel stärker als bisher im Herzen der Stadt sichtbar werden.“ Und Sobek bekräftigt: „Wir brauchen dringend einen Ort, an dem über die Disziplingrenzen hinaus über Gestaltung diskutiert werden kann, an dem wir der breiten Öffentlichkeit neue Entwicklungen präsentieren können – kurz: ein Ort, der informiert, inspiriert, verbindet.“

Einen solchen Ort sieht Werner Sobek in unmittelbarer Nachbarschaft der Bühne seiner großen Ehrung an diesem Samstag in der Staatsgalerie Stuttgart: das Kunstgebäude am Schlossplatz. Nach Informationen unserer Zeitung wird diesem Vorstoß kein Erfolg beschieden sein. Werner Sobek wird dies nur Aufforderung sein, das Thema weiter zu forcieren.