Kitty (2002-2015) – eine Europäisch-Kurzhaar-Hauskatze – an ihrem Lieblingsplatz im Garten. Foto: Familie

Irgendwann kommt der Tag, an dem man von Hund oder Katze Abschied nehmen muss. Wie kann man seinem Tier unnötige Leiden ersparen? Wie geht man mit dem Verlust um? Wie werden aus Trauer und Schmerz Dankbarkeit und Freude? Ein Nachruf.

Stuttgart - „Die Tiere sind unsere Brüder, die großen wie die kleinen. Erst in dieser Erkenntnis gelangen wir zum wahren Menschentum.“ (Albert Schweitzer, 1875-1965, Arzt, Theologe, Menschen- und Tierfreund)

Kitty liebte es mollig-warm und samtig-weich. Am liebsten kuschelte sie den ganzen Tag auf einer Decke und döste vor sich hin. Sobald es draußen warm genug war, zog sie in ihr Katzenhaus im Garten um und setzte dort ihre Siesta fort.

Schlafen, fressen, gestreichelt werden – das waren Kittys Leidenschaften. Und das am liebsten alleine. Anderen Katzen gegenüber war sie launisch wie eine Diva und mürrisch wie eine alte Jungfer. Doch den wenigen Menschen, die sie ins Herz geschlossen hatte, war sie eine treue Weggefährtin.

Sie starb an einem Samstagmorgen im August

„Kitty.“ Wenn sie ihren Namen hörte, tappte sie sofort maunzend mit hoch erhobenen Schwanz herbei. Streifte um die Knöchel, warf sich auf den Rücken und schaute herzerweichend mit ihren kugelrunden, grünen Augen hoch. Ein wahrer Wonneproppen.

Kitty starb an einem Samstagmorgen im August 2015. Sie wurde 13 Jahre alt. Die Tierärztin spritzte ihr eine Überdosis Narkosemittel, um sie von ihren Leiden zu erlösen. Ihr ganzer Körper war voll von Krebs-Metastasen. In der Lunge hatte sich Wasser angesammelt, das Atmen fiel ihr schwer, jede Regung war für sie eine Qual.

Es war nicht der erste Abschied von einer über alles geliebten Katze – aber es war mit Abstand der schwerste. Kitty war die erste „Felis silvestris catusin“ – sprich Hauskatze – in der Familie. „Unsere Urkatze“ wurde sie liebevoll genannt. Die erste in einer langen Ahnenreihe von Stubentigern.

Ein wunderschönes Bauernhofkätzchen

Eigentlich war Kitty eine ganz gewöhnliche Bauernhofkatze, die auf einem Pferdehof im Juli 2002 in Wolfschlugen zur Welt kam. Europäisch Kurzhaar mit Tabby-Fellzeichnung, braun-schwarz getigert. Ein wunderschönes Kätzchen. Sie hatte einen dicken schwarzen Strich entlang der Wirbelsäule und großen, kräftigen Kopf, der perfekt zu ihrem Dickschädel passte.

Mit zwei Wochen wurden sie, ihre Schwester und ihr Bruder Vollwaisen, nachdem ihre Mutter überfahren worden war. Die Pächterin des Pferdehofes fütterte die drei halb verhungerten und verwahrlosten Kätzchen, bis Kitty und ihre Geschwister mit sechs Wochen in ein neues Zuhause umzogen.

Kitty liebte es, ausgiebig hinterm Ohr und an ihrem wuscheligen Bauch gekrault zu werden. Sie gehörte von Anfang an zur Familie. Unvorstellbar, dass sie nicht mehr da sein könnte. Trotz feliner Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit bei Katzen), wegen der ihr morgens und abends Insulin gespritzt wurde, und diverser Maläste schien sie unverwüstlich.

Doch irgendwann kam die Zeit des Abschieds. Man kann sich nicht vorbereiten auf das, was passiert. Auch wenn das geliebte Tier an einer chronischen Krankheit leidet, die unweigerlich zum Tode führt, hofft man, dass der letzte Gang zum Tierarzt noch weit weg ist.

Tier und Mensch – einfach beste Freunde

Unser Verhältnis zu Tieren ist befremdlich und paradox. Sie gelten als die besten Freunde des Menschen, werden verhätschelt, liebkost und umsorgt. Andererseits landen sie in den Regalen der Supermärkte, nachdem sie qualvoll leben und elendig sterben mussten. Eingepfercht als Mastvieh in engen Ställen und Käfigen, in denen sie sich kaum bewegen, geschweige denn artgerecht verhalten können.

„In der heutigen Zeit sind Haustiere mehr als nur ein Freund des Menschen. Sie werden immer öfter als Familienmitglied, Partner- oder Babyersatz angesehen“, sagt Walter Rupff, ein gelernter Tierpräparator, der in Remseck-Aldingen ein Krematorien für Hausiere betreibt.

Aus biologischer Sicht sei das Verhältnis von Tier und Mensch eine echte Sozialpartnerschaft und Freundschaft, erklärt der Biologe und Verhaltensforscher Kurt Kotrschal, der als Professor an der Universität Wien lehrt und Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle im österreichischen n Grünau ist. „Für manche Menschen haben Tiergefährten eine größere Bedeutung als andere Menschen, weil unter Umständen die Beziehung auf einer viel tieferen emotionalen Basis funktioniert als mit den Mitmenschen.“

Tiere empfinden Freude und Trauer, Zuwendung und Schmerz

Bis vor wenigen Jahrzehnten galten Tiere unter Forschern noch als eine Art Verhaltensroboter, die nur auf äußere Reize reagieren, genetisch auf bestimmte Verhaltensweisen konditioniert sind und durch Versuch und Irrtum lernen. Spätestens seit den Verhaltensforschungen des österreichischen Zoologen und Ethologen Konrad Lorenz (1903–1989) weiß man, dass die These vom Homo sapiens als „Krone der Schöpfung“ ebenso kühn wie unsinnig ist.

Tiere können denken, fühlen und empfinden. Sie verfügen über Emotionalität, Erkenntnisvermögen, ein komplexes soziales Zusammenleben und echte Lernfähigkeit. Sie empfinden Freude und Trauer, sie nehmen Zuwendung und Schmerzen wahr, sie können Liebe empfangen und Liebe schenken.

Wenn Tiere in freier Wildbahn spüren, dass ihr physisches Ende naht, ziehen sich zurück. Instinktiv wollen sie sich und ihre Artgenossen vor Feinden schützen. Auch eine Hauskatze oder ein Hund wird ähnliches empfinden. Sie bereiten sich auf das Sterben vor. Nicht in Panik und Todesangst, sondern in der Gewissheit, dass ihre Zeit gekommen ist und sie gehen müssen.

„Heiterkeit der Seele“

Zurück bleiben Herrchen und Frauchen – und der Schmerz, die Trauer, die Leere. Vielen Tierbesitzern hilft es, wenn sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen – wie dies Hans Brunnengräber getan hat. Der ehemalige stellvertretende Vorstandschef der Magirus-Deutz AG schrieb sich 1978 im „Manager-Magazin“ die Trauer über den Verlust seines 15-jährigen Dackels Josef in einem wunderbaren Nachruf von der Seele:

„Wir haben uns gestritten, beleidigt, die Zähne gezeigt; wir haben uns verstanden, akzeptiert und geliebt, wir haben aufeinander aufgepasst und hielten gegenüber Dritten, die uns nicht gebührend respektierten, wie Pech und Schwefel zusammen. Der Tod eines kleinen Hundes hat etwas bewirkt. Er war in meinem Leben der Garant für viele kleine Freuden. Denn nicht die großen Ereignisse unseres Lebens machen es aus, ob wir glücklich sind und froh. Die Heiterkeit der Seele bedarf der kleinen täglichen Dosis von Zuneigung und Vertrauen.“

Ruhiges, sanftes Hinübergleiten

Kittys letzter Tag kam plötzlich. Am Abend zuvor lag sie zusammengekauert in der Küche vor der Katzenklappe, das Atmen fiel ihr sichtlich schwer. Am nächsten Morgen fuhr ihre Familie mit ihr voller Sorge und einem ziemlich unguten Gefühl zur Tierärztin. Dort wurde sie untersucht und geröntgt. Dann schüttelte die junge, freundliche Veterinärin nur den Kopf. „Es ist leider nichts mehr zu machen“, sagte sie.

Kittys letzter Weg war ein ruhiges, sanftes Hinübergleiten. Umgeben von bekannten, geliebten Personen. Begleitet von leisem Zureden, Streicheleinheiten und Geschichten aus dem gemeinsamen Leben mit ihrer Familie.

Und dann . . . hörte Kitty auf zu atmen. Ihr Herz schlug nicht mehr, ihre Augen blinzelten nicht mehr. Sie war für immer eingeschlafen – und ließ trauernde Menschen zurück.

„Ich vermisse Kitty. Kitty ist jetzt im Himmel“

Bei der zehnjährigen Tochter von Freunden aus der Nachbarschaft war die Trauer besonders groß. Sie weinte den ganzen Tag, als sie vom Heimgang ihrer Lieblingskatze erfuhr. Am nächsten Tag ging sie zu Kittys Grab unter dem großen Kirschbaum, wo sie im Sommer am liebsten war. Legte selbst gepflückte Blumen darauf und sprach mit ihr, wie es sie es immer getan hatte. „Ich vermisse Kitty. Kitty ist jetzt im Himmel“, sagte sie und lächelte wieder so, wie es sie es immer getan hatte, wenn sie Kitty zärtlich im Arm hielt und die Katze behaglich schnurrte und ihren Kopf an ihr rieb.

Kommen Katzen in den Himmel? „Resurrexit a mortuis“ – Auferstehung von den Toten? Eine kindliche Vorstellung, dass Tiere im Jenseits weiterleben. „Auch Erwachsene glauben an einen Tierhimmel und dass Tiere eine Seele haben“, berichtet Krematorium-Betreiber Rupff. Die Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles aus sei, tröste sie über den großen Verlust hinweg.

„Ich glaube an einen Himmel, in den ich nicht komme, doch wo er mich erwartet“

Selbst überzeugte Atheisten wie der chilenische Lyriker und Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda (1904-1973) bekennt in seinem Gedicht „Mein Hund ist gestorben“: „Und ich, Materialist, der nicht daran glaubt, dass es den verheißenen himmlischen Himmel für irgendeinen Menschen gibt, glaube für diesen Hund oder für jeden Hund an den Himmel, ja, ich glaube an einen Himmel, in den ich nicht komme, doch wo er mich erwartet.“

Der Bonner Psychologe und emeritierte Professor Reinhold Bergler widerspricht solchen Vorstellungen vehement: Die Idee eines Tierhimmels sei bloß Projektion einer „fast schon abgöttischen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Hier liegt eine radikale Vermenschlichung von Tieren vor.“

Jenseitsglaube und Totenkult ums Tier als Gipfel der Gefühlsduselei? Es gebe keinen Grund nicht anzunehmen, dass Tiere in den Himmel kommen, meint Kurt Kotrschal. „Wenn ich an die Seele und an den Himmel glaube, dann gibt es keinen Grund, dass wir Menschen dahin kommen, Hunde und Katzen aber nicht.“

Der Schweizer Theologe und Kapuzinermönch Anton Rotzetter, Mitbegründer des Instituts für Theologische Zoologie in Münster, hält es für „überholtes Denken“ zu glauben, die Ewigkeit sei für den Homo sapiens reserviert. „Warum sollte Gott etwas erschaffen, was er dann wieder vernichtet. Was Gott erschafft, bleibt. Sonne und Mond, Mensch und Tier – alles bleibt.“

Alles bleibt, auch die geliebte Kitty – nur an einem anderen, schöneren Ort.

Hier geht es zu unserem Special rund um Tierheime und ihre Bewohner

Info: Wohin mit einem toten Haustier?

Rund 28 Millionen Heimtiere leben unter deutschen Dächern – davon 11,8 Millionen Katzen, 6,8 Millionen Hunde und 5,9 Millionen Kleintiere wie Kaninchen, Hamster oder Meerschweinchen. Für die meisten heißt es irgendwann: Endstation Müll. „Viele Besitzer wissen gar nicht, was mit ihrem toten Haustier geschieht", so Axel Mauthe, Tierbestatter aus Köngen und Mitglied im Bundesverband der Tierbestatter (BVT). „Wenn sie erfahren, dass ihr Tier in Schlachtabfällen gelandet ist, ist das ein Schock.“

Das Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz schreibt vor, dass Heimtiere in Tierkörperbeseitigungsanlagen (TBA) entsorgt werden. Dort werden die Kadaver geschreddert und bei 133 Grad Celsius und drei Bar 20 Minuten lang sterilisiert. Die Reste werden verwertet: Körperfette dienen zur Herstellung von Schmieröl, Leim und Seife, Tiermehl wird zu Dünger verarbeitet oder landet in Heizkraftwerken.

Ein unwürdiges Ende. Deshalb ziehen es immer mehr Tierbesitzer vor, ihr geliebtes Tier einäschern oder auf einem der bundesweit mehr als 150 Tierfriedhöfe bestatten zu lassen. In Stuttgart gibt es sie in Hedelfingen und im Fasanenhof.

Wer einen Garten besitzt, kann sein Tier dort vergraben – Katzen und kleine Hunde mindestens 50 Zentimeter tief. Voraussetzung: Der Garten muss sich außerhalb eines Wasser- und Landschaftsschutzgebiets befinden und die Gemeinde darf es nicht explizit verbieten.

In Deutschland sterben nach BVT-Schätzungen jährlich rund 1,3 Millionen Katzen und Hunde. Kleintiere dürfen in die Biotonne (die Restmülltonne ist verboten) oder vergraben werden. Wer einen Kadaver heimlich im Wald oder Park verbuddelt, dem drohen bis zu mehrere Tausend Euro Bußgeld.

Neuester Trend: Mit Herrchen und Frauchen zur ewigen Ruhe gebettet zu werden. Seit Juni können auf einem Friedhof in Essen und bei Koblenz die Urnen von eingeäscherten Heimtieren zusammen mit ihrem davor oder danach verstorbenen Besitzer im Gemeinschaftsgrab beerdigt.