Foto: Wagner

Bauchmuskeln, Schlangenmädchen und Clown Pavel - beim Weltweihnachtscircus gibt's viel zu sehen.

Stuttgart - Sehen Sie das als Mann auch so? Irgendwann geht einem in der Adventszeit die ewige Glühweinsüffelei auf den Geist. Mit jedem Tag wächst die Lust auf ein Bier, besser auf ein Sixpack. Und wie geht's den Frauen? Die dürfen sich schon jetzt an Sixpacks erfreuen - bei einem Besuch im Weltweihnachtcircus.

Whow. Da schlägt Herz der holden Weiblichkeit höher. Was die beiden Kubaner Leosvel und Diosmani an wohldefinierten Bauch- und Oberkörpermuskelsträngen zeigen, ist schlicht atemberaubend. Selbst die männliche Begleitung dürfte bei diesem Anblick mit spontaner Schnappatmung reagieren. Und nicht nur der Bierbauch wird blass vor Neid.

Die beiden Kraftpakete Loesvel und Diosmani trotzen bei ihrer spektakulären Masten-Akrobatik jedem Gesetz der Schwerkraft. Der menschliche Körper als Fahne, zusätzlich beschwert durch den Partnerartisten, so etwas hat man in einem Zirkuszelt bisher nie gesehen.

Für einen weiteren Kraftakt sorgt die Gruppe Rialcris, die bei ihrer Bodenakrobatik die Muskeln harmonisch spielen lässt. Rialcris sind die drei Brüder Ricardo, Alejandro und Cristian aus Mexiko.

Überhaupt: Beim 19. Gastspiel in Stuttgart spielt der Weltweihnachtscircus immer wieder bei Bodennummern Kraft und Körperlichkeit als Trumpf aus. Die Brüder des Duos Iroshnikov aus der Ukraine arbeiten sich aneinander ab, die Gruppe Zhejiang vom Chinesischen Staatszirkus zeigt bei ihrer Kopfakrobatik fast halsbrecherische Nummern. Treppensteigen mit Hilfe der Nackenmuskulatur, das sollte der Laie auf den Rängen besser bleiben lassen. Allein vom Zusehen droht ein Schleudertrauma.

Auch beim Schlangenmädchen Lunga aus Südafrika wird Nachahmungstätern dringend abgeraten. Mitten im Nebelmeer trägt sie nicht nur spielerisch mal den Kopf unterm Arm, mal die Füße auf der Schulter. Auch was sie mit ihren Knien macht, grenzt an Zauberei. So etwas hat man selbst bei leidgeplagten Fußballern mit gerissenen Kreuzbändern und zerfetztem Meniskus nie gesehen.

Dass Bodenakrobatik auch sehr viel mit Ästhetik zu tun hat, beweist das Duo You and Me. Die Besonderheit beim elegant-kraftvollen Pas de deux von Igor Gava und Julia Pali: Der Herr hat zwar die Hosen an, das eigentliche Kraftzentrum des Paars steckt aber in einem zarten Frauenkörper. Der Beobachter lernt: Es muss nicht immer Sixpack sein.

Der Sechserpack der Boden- und Kraftakrobatik in allen Ehren, der Weltweihnachtscircus bietet viel, viel mehr. Vor allem zu Beginn der Vorstellung nimmt das Programm mit kurzen, packenden Nummern ein atemberaubendes Tempo auf, dem aber die klassische Zirkuskunst nicht zum Opfer fällt.

Berührend ist der Moment, wenn der Dompteur Maycol Errani seine zehn Guanakos und Lamas in die Manege schickt und die Tiere still, staunend und mit großen Augen ins Publikum blicken. Wer schaut hier eigentlich wen an? Staunen spiegelt sich auch in den Augen der zehn schwarz glänzenden Friesen, die Géraldine Knie bei ihrer großen Freiheitsdressur präsentiert.

Für herzhafte, gekonnte und ehrliche Zirkuskunst bürgen auch die Andrey-Kovgar-Gruppe mit ihrem Schleuderbrett und die Trapezartisten aus Nordkorea, für deren Salti man eigentlich Superzeitlupe bräuchte. Begleitet vom kollektiven Aufstöhnen des Publikums greift Giacomo Sterza sich ein Bündel scharfer Messer und schleudert sie nach seiner Frau Elena Busnelli, die auf ein rotierendes Brett geschnallt ist. Zum Glück wird den Zuschauern kein gespickter Braten serviert.

Der Spaß darf in einer ausgewogenen Zirkusshow nicht fehlen. Mit feinem Humor zaubert Clown Pavel Boyarinov aus seinem Koffer einen kleinen Stoffelefanten hervor, zieht in mit einem Spielzeugschlüssel auf und bringt ihn auf arg wackeligen Beinen zum Laufen. Alles nur Täuschung? Nein, große Zirkuskunst.

Für diese Qualität steht auch der Clown David Larible. Der Italiener, der 15 Jahre lang das Publikum in den USA begeisterte, entpuppt sich bei seinem ersten Auftritt in Stuttgart nicht nur als komisches, sondern auch als musikalisches Talent. So lässt er Freiwillige aus dem Publikum mit Handglocken den Frank-Sinatra-Hit "New York, New York" nachspielen, bevor er selbst zum Bandoneon und zum Mikrofon greift und "Bella" schmettert. Die so Angebetete heißt Shirley, ist seine wohlgewachsene Tochter und schwingt sich an Bändern elegant in die Zirkuskuppel. Der Papa schluchzt "Bella". Eigentlich müsste er singen "Bellissima".