Beate und Gerhard Föll (rechts) überraschen die Gruppe mit einheimischen Tropfen Foto: Georg Linsenmann

Eine Tour zeigt die Schönheit der Wandelwege – und die Gefahr für den Wein in den Steillagen. Denn oft wachsen die Wege einfach zu.

Manchmal helfen Auswärtige, um Einheimischen die Schönheiten ihres Ortes wieder bewusst zu machen. Oder frisch Hinzugezogene. Eine Neubürgerin etwa – wie die ältere Dame, die sich vom Marktplatz aus auf die Tour zu den und durch die Wandelwege in den Wangener Bergen gemacht hat: „Das ist eine wunderbare Landschaft und ein altes Kulturgebiet. Diese grüne Wand im Rücken der Siedlung, das ist für mich Lebensqualität und Wohlgefühl.“ Und weil sie diese Gegend schon ordentlich erkundet hat, wusste sie auch, was den gut zwei Dutzend Mitwandernden gleich blühen werde: „Jetzt wird es alpin.“

Direkt steil bergauf ging es aber doch nicht, denn just zum Start hatte sich ein massiver Regenguss eingestellt, der die Wandelwege rutschig gemacht hat. Statt stramm die Bergstaffel rauf, ging es also etwas gemächlicher über den Kirchweg zum Einstieg in die Faultannenfurche. Dort erwies sich der Guss dann in spezieller Weise nützlich, denn kaum drin in der Furche, kam den Aufsteigenden das Regenwasser als flottes Miniaturbächlein entgegen – und machte so ganz unmittelbar anschaulich, weshalb die senkrechten Wandelwege in den Steillagen einst „Wasserfall“ genannt wurden. Wenn ein Ortshistoriker wie Martin Dolde dabei ist, dann gibt es dazu auch gleich die passende Geschichte: „1720 wurde hier eine Frau vom stürzenden Wasser erfasst und bis zum Gasthaus Rössle mitgerissen. Sie hat es nicht überlebt.“

Wenn die Trockenmauern gut sind, halten sie 100 Jahre

Wo die Faultannenfurche auf den querenden Wangener Höhenweg stößt und dann ins Obere Letterle übergeht, war Gelegenheit, eine Trockensteinmauer in Augenschein zu nehmen. Die Fugen zwischen den kunstvoll gefügten Natursteinen auf der schattigen Nordseite bieten Farnen, Moosen, Flechten ebenso ideale Lebensbedingungen wie Eidechsen oder Feuersalamandern. Gleichwohl sind sie nur die Schauseite dieser geschützten Biotope: „Die Mauer hinter der Mauer ist für den ursprünglichen Zweck, den Druck vom Berg her wegzunehmen, entscheidend. Wenn sie gut gemacht sind, halten sie 100 Jahre“, erläuterte Dolde.

Dann aber wurde es doch noch ein bisschen alpin, das Letterle hinauf. Und hier zeigte sich der Wandel nicht so apart gepflegt wie zuvor. Deshalb mahnte Hans-Peter Seiler, Hedelfingens ehemaliger Bezirksvorsteher: „Die Grundstücksbesitzer sollten ihren Pflichten nachkommen, sonst wachsen die Wege wieder zu.“

In die gute Laune mischten sich auch ernste Töne

Über den Rennweg ging es durch den schmalen Singerweg „in die Toskana von Rohracker“, wie Wangens Bezirksvorsteherin Beate Dietrich anmerkte, also in die Steillage und zum Weinberg von Beate und Gerhard Föll, die die durchnässte Gruppe mit heimischem Trollinger und Weißherbst samt Butterbrezeln empfingen. In die gute Laune mischten sich auch ernste Töne. Gerhard Föll, der seinen Weinberg inklusive metertiefer Wurzeln vor 40 Jahren mit seinem Vater ausgeräumt und dann neu bepflanzt hatte, verwies auf die zunehmenden Brachen und Verwilderungen und meinte: „Wenn es keine Zufahrt gibt, wird der Weinbau hier in der nächsten Generation aussterben.“

Föll ist einer von insgesamt noch sieben Rohracker Weinbauern. Durchaus nachdenklich ging es so via Grenzwandel den Rohracker Kirchweg hinunter, an dessen Beginn die Einladung auf einer Wandertafel nun zusätzliche Bedeutung zu haben schien: „Alte Wege entdecken und erhalten“.