Hauptsache üppig: nach diesem Grundsatz behängte man in der Gründerzeit, von 1860 bis 1900, seinen Christbaum mit Schmuck aus verschiedensten Materialien. Foto: Gottfried Stoppel

In der aktuellen Sonderausstellung im Württemberg-Haus in weinstadt-Beutelsbach kann man in die Weihnachtswelt vergangener Jahrhunderte abtauchen. An diesem Sonntag wird sie eröffnet.

Weinstadt - Wer die Räume der neuen Sonderausstellung im Württemberg-Haus in Weinstadt-Beutelsbach betritt, findet sich in einem festlich geschmückten Weihnachtszimmer wieder. Unter einem im Stil der 1950er-Jahre dekorierten Christbaum liegt ein Eisenbahnset, daneben steht ein Kaufladen. Die Szenerie wird bei manch älteren Ausstellungsbesucher sicherlich Kindheitserinnerungen wecken – und sie ist zugleich auch ein Einstieg in eine weihnachtliche Zeitreise, zu der die beiden Sammler Wiebke und Hinrich Behning einladen.

Erneut hat das Ehepaar seine Bestände gesichtet und für das städtische Kulturamt eine Ausstellung kuratiert. Das Thema dieses Mal lautet: „Weihnachtsbäume im Wandel der Zeit – Weihnachtlicher Schmuck von 1850 bis 1960“. Dabei bereitet der 1950er-Jahre-Christbaum die Besucher bereits auf die Vielfalt vor, die sie in den Räumen zu sehen bekommen. „Typisch für diese Zeit ist ein Sammelsurium, alles, was so an Schmuck noch da war, hat man an den Baum gehängt“, erklärt Bernd Breyvogel, der Stadtarchivar und Leiter der städtischen Museen in Weinstadt.

Zunächst hängten sich die Menschen immergrüne Zweige in die Stube

Im Kaufladen daneben geht es mit einer Weihnachtsszenerie im Kleinformat noch weiter zurück: in die Zeit, als keine Tannenbäume die Zimmer zierten, sondern die Menschen lediglich immergrüne Zweige in ihre Stuben hängten. Der Grund dafür: „Es fehlte ihnen an Raum und Bäumen“, erklärt Wiebke Behning. Einen richtigen Tannenbaum hätten sich im 16. und 17. Jahrhundert nur Reiche leisten können, ergänzt Bernd Breyvogel. Erst mit der Industrialisierung und Aufforstungsmaßnahmen im 19. Jahrhundert habe sich der Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, in der Bevölkerung verbreitet, weil erst dann sowohl der Baum als auch der passende Schmuck für viele erschwinglich geworden seien.

Völlig schmucklos waren indes auch die immergrünen Zweige nicht. „Man hat sie mit Äpfeln und Würstchen dekoriert. Schließlich war es etwas Besonderes, dass man sich an Weihnachten einmal richtig satt essen konnte“, sagt Wiebke Behning, die sich daran erinnern kann, dass auch in ihrer Kindheit essbarer Weihnachtsschmuck noch üblich war. „Erst an Silvester durften wir Kinder die Süßigkeiten plündern, und wehe, ein Geschwister hat schon vorher etwas genommen.“

Soldaten bekamen Miniaturweihnachtsbäume per Feldpost geschickt

In Sprüngen geht es durch die Christbaumhistorie. In einer Vitrine steht beispielsweise ein Exemplar, wie es zu Zeiten des Ersten Weltkrieges verbreitet war. Statt Sternen und Kugeln zieren gläserne Wasserbomben und Kampfflugzeuge den Baum. Selbst Soldaten an der Front mussten nicht auf Christbäume verzichten. Per Feldpost konnten ihnen Miniaturbäume samt Miniweihnachtskugeln geschickt werden. Im Ausstellungsraum nebenan sind Bäume im Stile des Biedermeiers, der Gründerzeit, des Jugendstils und wie zu Zeiten des Nationalsozialismus geschmückt – mal üppigst behängt, mal in schlichter Eleganz oder sparsam.