Guter Wein, spitzen Wetter: Schwäbisches Dolce Vita in Schorndorf. Foto: Michael Steinert

Am Wochenende hatten Weinfreunde im Rems-Murr-Kreis die Qual der Wahl zwischen zahlreichen Festen. Dort füllten sich die Bänke aufgrund der Temperaturen zwar später als sonst, dafür konnten die Besucher ihre Viertele bei wunderbar lauen Abenden genießen.

Schorndorf/Winnenden/Remshalden - Dolce Vita auf schwäbisch, damit wirbt die Stadt Schorndorf für ihre Weintage auf dem Marktplatz. Und kaum einmal dürfte dieser Slogan besser gepasst haben als an diesem Wochenende. Denn die

lauen Sommernächte erinnerten tatsächlich an Urlaub im Mittelmeerraum. „Bei uns ist es gerade heißer als in der Türkei“, sagte Bürgermeister Edgar Hemmerich bei der Eröffnung am Freitagabend – was für die fünf beteiligten Weingüter manche Sondermaßnahme bedeutete. „Wir haben einen extra Kühlschrank geholt, damit wir auch die Rotweine kühlen können“, sagte Yvonne Ellwanger vom Weingut Bernhard Ellwanger aus Großheppach. Sowieso waren die erst mal nicht gefragt: „Wir verkaufen vor allem die leichteren Weine“, erzählte sie.

Was das Fest auszeichnet? „Schon die besondere Atmosphäre. Inmitten so einer Fachwerkkulisse sitzt man einfach gerne“, sagte Yvonne Ellwanger. Toll findet es Markus Dobler vom gleichnamigen Weingut aus Beutelsbach, dass das Fest ein zivilisiertes Publikum hat. „Es gibt kein Gelage und Gegröle. Und es kommen viele junge Leute.“ Bei der Stadt ist man froh, dass mittlerweile der Generationenmix gelungen ist. „Seit ein paar Jahren stellen wir immer wieder etwas um. Aber jetzt passt es“, sagte Mitarbeiterin Nicole Steeger. Dazu gehörten etwa die einheitlichen Schirme, die Lichterketten, die dezente Livemusik, aber auch die vielen Blumenkästen.

Barfußpfad und Blindverkostung in Winnenden

Immer wieder etwas Neues, das wagen auch die Veranstalter der Winnender Weintage. Bei der 17. Auflage gab es zum ersten Mal auf dem Adlerplatz ein Programm für die jüngsten Besucher. Das Eins+Alles war mit einem Ableger des Erfahrungsfeldes der Sinne zu Gast. Erlebnispädagoge Jürgen Schneider hatte einen Barfußfad, Fühlstationen oder Murmel-Labyrinthe aufgebaut. „Highlight war aber die Umkehrbrille, die oben mit unten und recht mit links tauscht“, erzählte er. Zwar hätten viele Familien aufgrund der Hitze das Fest erst später besucht, „aber einige Kinder haben mir gesagt, dass sie noch einmal kommen wollen“, sagte Schneider, der das Fest auch nutzte, um das Erfahrungsfeld an der Laufenmühle bekannter zu machen: „Es gibt doch viele, die sich nicht vorstellen können, was sich dahinter verbirgt.“

Nicht mehr vorstellen müssen sich hingegen die Weingüter, die bei den Weintagen mitmachen. „Wir sind von Anfang an die gleichen, aber das wollten wir auch so haben“, sagte David Siegloch vom gleichnamigen Weingut aus Winnenden. Auf seiner Karte steht der Sieger der traditionellen Blindverkostung 2015 – ein Muskateller. Dieses Jahr konnten die Besucher fünf Roséweine probieren und ihren Favoriten ankreuzen. Am Montag wird der Winnender Wein- und Kulturverein dann bekannt geben, welcher Rosé am besten schmeckt. „Es passt ganz gut zu den Temperaturen, dass dieses Jahr ein Roséwein dran ist“, sagte David Siegloch. Auch wenn das Wetter dafür sorgte, dass sich das Fest später füllte als gewöhnlich, freuen sich die Wengerter über die aktuelle Witterung. „Die Hitze ist perfekt. In den Brombeeren sitzt die Kirschessigfliege ziemlich stark drin. Aber da sie keine Temperaturen über 30 Grad mag, hoffen wir, dass die Population einbricht“, erläuterte Hartmut Luckert vom gleichnamigen Weingut. Mit solcher Sommerhitze habe keiner mehr gerechnet, aber das passe zu dem verrückten Jahr mit Frühlingsfrost und feuchtwarmem Sommer.

Weingut Mayerle präsentiert sein neues Betriebsgebäude

Auch Nina Mayerle will keine Prognose wagen, wie der Wein dieses Jahr wird. „Da kann noch so viel passieren. Eigentlich weiß ich es erst, wenn der Wein im Keller ist“, sagte die Chefin des Weingutes Mayerle auf dem Bauersberger Hof bei Remshalden. Nach zwei Jahren Pause veranstaltete der Familienbetrieb am Wochenende wieder einmal seine weinselige Hocketse, die vor allem durch ihren einmaligen Blick über das Remstal besticht. Den Grund für die Unterbrechung konnten sich die Besucher anschauen: Das Weingut hat in ein neues Betriebsgebäude investiert. „Wir sind aus allen Nähten geplatzt, mussten in der Maschinenhalle keltern und konnten nicht mehr wirtschaftlich arbeiten“, erläuterte Nina Mayerle. Das neue Gebäude bietet im Erdgeschoss Platz für eine Vinothek und eine Besenwirtschaft, die im November das erste Mal ihre Tür öffnen wird. Im Keller befindet sich nun die gesamte Produktion. Neben den kurzen Wegen schätzt Nina Mayerle auch das optimale Klima. „Die Lagerung befindet sich komplett unter der Erde, und das ist perfekt“, sagte sie, die das Weingut zusammen mit ihrem Partner Matthias Greif führt. Die Besucher konnten im Keller der Alphorngruppe Remstalhorn zuhören, die mitten zwischen den Holzfässern spielte – und etwas später im Weinberg, zum traumhaften Sonnenuntergang: Dolce Vita auf Schwäbisch, und das nicht nur in Schorndorf.