Kabarettistin Martina Brandl rappt, und alle gehen mit: SWR-4-Moderatorin Susanne Kurz, Schauspielerin Monika Hirschle, Sängerin Cassandra Steen (v. li.) und StN-Mann Hörner Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Cassandra Steen, Monika Hirschle, Martina Brandl, oder: angesagte Sängerin, beliebte Mundartschauspielerin, erfolgreiche Comedy-Frau. Starke schwäbische Frauen, die auch über ihre Schwächen reden, dominieren den Weindorf-Treff von Stuttgarter Nachrichten und SWR 4 am Mittwoch.

Stuttgart - Einer streckt die Waffen, bevor es losgeht. „Vorbereitet hab’ ich mich heute nicht, denn bei fünf Frauen komm’ ich eh nicht zu Wort“, lässt Tom Hörner die Weindorftreff-Besucher in der Laube Alte Kanzlei wissen. Ganz so schlimm ist es für den Moderator und Kolumnisten der Stuttgarter Nachrichten dann doch nicht gekommen.

Dennoch, die Gästeliste vom Mittwoch dürfte manchen Mann beeindrucken, so er beim Weindorf-Treff bestehen müsste. Fünf starke Frauen – wieder dabei Weinkönigin Stefanie Schwarz und Hörners SWR-4-Kollegin Susanne Kurz – sind auf keinen männlichen Stichwortgeber angewiesen.

Wahrscheinlich d-e-n Gänsehautmoment des Weindortreffs 2015 beschert Cassandra Steen dem Publikum, als sie spontan und ohne Begleitung einen ihrer Hits anstimmt. Anstimmt? „Ich bau ne Stadt für dich/aus Glas und Gold und Stein“ haucht die Sängerin aus Esslingen mit amerikanischen Wurzeln nur. Nie war mehr Soul in einer Weindorflaube. Das Publikum hält mehr als eine Sekunde inne, bis es applaudiert.

In der schwäbischen Frauenrunde geht es auch mal rustikal zu

Bei einer Runde mit „schwäbischer Frauenpower pur“, wie Susanne Kurz es formuliert, kommen jedoch nicht nur die Sensiblen zu ihrem Recht. Da es viel um Mundart geht, wird es zuweilen rustikal, ohne dass StN-Mann Hörner eine seiner Zoten bemühen müsste. Danach gefragt nennt Monika Hirschle das „Schnepperle“ als ihr schwäbisches Lieblingswort. „Ned was ihr denged!“, sie meine – mit „Schnäpperle“ – stets den Schnapper an einer Haustüre. Ein Fan habe sie dennoch mal mit dem Satz „Gell Sie sen die mit dem Sex“ angesprochen.

Solche Anekdoten sind nach dem Geschmack von Kabarettistin Martina Brandl, deren Gags nach eigenem Bekunden „stellenweise weit unter die Gürtellinie“ zielen. Zur Schwäbischkunde trägt die langjährige Wahlberlinerin jedoch einen jugendfreien Begriff aus ihrer Heimatstadt Geislingen bei: Kähl. Nie gehört? Das im Stuttgarter Raum nicht gebräuchliche Adjektiv kähl beschreibe entweder etwas sehr positives oder sehr negatives, manchmal auch in Verbindung mit einem weiteren Adjektiv, klärt Martina Brandl auf. „Wirklich übersetzen lässt es sich nicht.“ Cassandra Steen, die nur Schriftdeutsch singt, erinnert sich noch an den Satz aus ihrer Kindheit „Hosch schleck drbei“, was soviel bedeutet wie: Hast Du Süßigkeiten mitgebracht. Schwäbisch sozialisiert wurde die 1,88 Meter große Sängerin von ihren Großeltern in Esslingen. „Meine Oma kommt – von dr Alb ra.“

Cassandra Steen könnte bald auch auf Englisch singen

Der angloamerikanische Teil ihrer Gene wiederum könnte bald in eine englischsprachige Produktion münden. Es sei „etwas im Gange“ – mehr verrät nicht.

An internationale Rollen denkt auch Monika Hirschle, „und zwar pausenlos, bloß mi will koiner“. Also wirkt sie bald bei einem Laible-&-Frisch-Film mit. Eine Biografie plane sie ebenfalls, sie müsse jetzt damit beginnen „solang i no alles wois“. Martina Brandl schreibt auch Bücher – mit einer, wie sie sagt, nicht alltäglichen Herangehensweise: „Ich hab zuerst einen Titel und schreib dann die Geschichte drum rum.“ Einer lautet „Halbnackte Bauarbeiter“, ein anderer „Glatte runde Dinger“, was bei Moderator Hörner sofort Assoziationen weckt, die die Runde nicht weiter vertiefen will. Der Mann hat an diesem Nachmittag keine Chance.

Ob es bei einer Männerquote besser für ihn laufen würde? Hörner hofft.

Martina Brandl jedenfalls plädiert grundsätzlich für die Quote, die Frauenquote, und zwar auch in ihrem männerdominierten Humor-Fach. „Barbara Schöneberger, Anke Engelke, Martina Hill – mehr sieht man doch nicht.“ Frauen, die Kabarett machen, gebe es zu Hauf, bildeten aber meistens „leider nur schmückendes Beiwerk“.

Verschenktes Potenzial, wie die spontane Brandlsche Angela-Merkel-Parodie belegt. Könnten Sie bitte, so der Wunsch aus dem Publikum. „Das könnte ich, aber ich hab heute frei“, sächselt die Kabarettistin im Angie-Tonfall. Alles klar, der Weindorf-Treff am Mittwoch hat zur Publikumsbelustigung keiner Männer bedurft.