Trotz lauter Bäume im Wald sogar die Reben entdeckt! Foto: Leif Piechowski

Der Schönbuch feiert sich selbst: Als Wald des Jahres. Unser Kolumnist Michael Weier war dort – und ist prompt über die Geschichte des Weinbaus am Schönbuchrand gestolpert.

Der Schönbuch feiert sich selbst: Als Wald des Jahres. Unser Kolumnist Michael Weier war dort – und ist prompt über die Geschichte des Weinbaus am Schönbuchrand gestolpert.

Stuttgart - Gelegentlich treibt es den Menschen raus aus der Großstadt. Ich persönlich wollte am Wochenende wissen, wie es denn im schönsten Wald der Welt ausschaut. Nicht, dass ich nicht früher schon einmal den Schönbuch besucht hätte. Aber wenn so ein Wald offiziell ausgezeichnet wird, dann schaut man die Bäume doch gleich mit anderen Augen an. Anstatt mich um mein eigentliches Aufgabengebiet, die Reben, zu kümmern, habe ich mich also in das Kerngebiet des Streuobstes und der Gäu-Zwetschgen vorgewagt, bin am Trauf des Schönbuchs entlang von Herrenberg in Richtung Tübingen marschiert. Dort gibt es einen neuen Panoramaweg, und obwohl ich mich natürlich verlaufen habe, war ich schwer beeindruckt. Sehr schöner Wald, sehr schöner Ausblick. Wildschweine sind mir keine begegnet, von meinem zweijährigen Sohn bei der Vesperpause mal abgesehen. 

Im schönen Wald habe ich dann zum Vesper eine Flasche Bier aus meinem Rucksack gezogen, ein kleines Bier ist bei einer Wanderung irgendwie passender als eine Flasche Riesling. Aber letzten Endes bin ich dann doch noch über Wein gestolpert, weil ich selbst in einem Wald voller Bäume nicht an den Reben vorbeikomme. Direkt über Kayh bietet sich dem Wanderer ein wunderbarer Blick bis zur Schwäbischen Alb, wer dann noch die Infotafel liest, der staunt noch mehr: Kayh ist nicht nur die Weltmetropole der Zwetschgen und der Kirschen, nein, Kayh (sprich: Koah) war mal ein Weinbauort! Der Schönbuchrand war das Neckartal des Mittelalters! 

Am Grafenberg bauten zunächst die Pfalzgrafen von Tübingen und später die Grafen von Württemberg Reben an. Und am Fuß des Weinbergs wurde Kayh vermutlich im 12. Jahrhundert als Winzerdorf gegründet. Vom Terroir her war der Südrand des Schönbuchs kein schlechtes Pflaster: Gipskeuper und Stubensandstein – damit werben auch Remstäler. Erst 1935 wurde der Weinanbau in mehr als 600 Meter Höhe dann aufgegeben – und übrigens kurzzeitig durch Hopfen ersetzt. 

Heute gibt’s in Richtung Tübingen wieder (und immer noch) ein paar Menschen, die es mit dem Wein versuchen. In Entringen habe ich zuletzt eingekauft, bei einem Herrn, der früher sein Geld beim Daimler verdient hat und nun im Ruhestand auf 25 Ar die Trauben für seinen eigenen Wein anbaut. Das liegt nur knapp hinter Kayh, weshalb der Verdacht nahe liegt, dass demnächst jemand auf die Idee kommt, dort wieder Spätburgunder anzupflanzen. Gäu-Wein als eine neue Geschäftsidee? Geht bestimmt. 

Ich selbst werde das Geschäftsmodell trotz der Nähe zum schönsten Wald der Welt nicht aufgreifen: Ich habe endgültig den Pachtvertrag für einen Weinberg am Rotenberg unterschrieben. Vielleicht ist der Schurwald daneben nicht ganz so schön wie der Schönbuch, aber der Blick auf die Grabkapelle entschädigt mich. Und beim Weinberg gibt’s ein Häuschen mit Kühlschrank – zum Vesper kann ich dann wieder Riesling trinken.