Bei der Arbeit im Weinberg: Hier werden Reben gelegt Foto: Herrweier

Nun ist es amtlich: Weinkolumnist Michael Weier gehört zu den Winzern. Bei der Anlage seines kleinen Weinbergs gab’s die Urkunde: Herr Weier ist nun Mitglied Nummer 452 beim Collegium Wirteemberg. Derweil nimmt auch der Weinberg Gestalt an, die Reben stecken nun in der Erde.

Stuttgart - Meine lieben Leserinnen und Leser der Flaschenpost: Es ist so weit, ich bin nun endgültig ein echter Wengerter. Mitglied Nummer 452 des Collegium Wirtemberg. Weil in so einem Weinberg alles seine Richtigkeit haben muss, war’s nötig, die Flächen umzuschreiben und die Rebsorte in Weinsberg zu melden – und irgendwie auch, mich zum Collegen zu machen. Als wir Löcher gegraben haben, kam Rolf Berner, der Vorstandsvorsitzende, daher und hat mich unterschreiben lassen. Großartig, oder? ICH BIN WINZER!

Ein kleiner, okay. Aber ein fleißiger. In den letzten Wochen haben wir zunächst Steine gesammelt, dann die Löcher gegraben. Dadurch, dass der Berg ganz neu angelegt wurde, hat sich mein Anteil nunmehr auf circa 220 Reben reduziert, so viele Löcher durften wir buddeln. Ich dachte erst, für diesen Job finden sich bestimmt keine Freunde, weil die lieber zum Ernten als zum Arbeiten kommen. Aber mit einer Kiste Bier, vielen roten Würsten und einem perfekten Wetterbericht lockt man die Kumpels. Und ich glaube auch den Beteuerungen, dass sie sogar bei Regen den Spaten geschwungen hätten. Klar.

Weil Löcher allein keinen Wein geben, haben wir inzwischen die Reben gepflanzt, was eigentlich gelegt heißt in der Fachsprache. Gekauft bei der Rebschule Wahler in Schnait, lauter nette kleine Pflanzen, die in einem einzigen Karton Platz gefunden haben. Bei der Auswahl war wieder Rolf Berner gefragt: Als direkter Nachbar und Koryphäe, was den Anbau betrifft, war sein Rat gefragt. Als Unterlage (Reben müssen immer auf eine amerikanische Rebe, die mit der Reblaus keine Probleme hat, aufgepfropft werden) wählte er eine mit starkem Wachstum, damit unsere künftigen Weine mit dem lehmigen Untergrund fertig werden. Der Chardonnay obendrauf ist der Duftklon Dr 258 (Dr für Herrn Dreher, der diesen Klon gezüchtet hat). In der Beschreibung steht: Selektionsziele höchste Qualität und Stabilität, nicht Höchsterträge. Klingt gut? Klingt sogar sehr gut. Wir wollen schließlich keine Masse erzeugen, sondern den besten Chardonnay der Welt!

Beim Pflanzen habe ich allerdings ganz schnell meine ersten Grenzen erreicht. Morgens um 8 Uhr ging’s los, Vesperpause halb zwölf, dann weiter. Pflanzerde rein, Rebe rein, Erde drauf, Pflanzerde drauf, festtreten. Pflanzerde tragen. Schaufeln. Und als wir mit allem fertig waren, fing Rolf Berner wieder vorne an, doch noch einmal auf alle Pflanzen ein bisschen Erde zum Schutz drauf. Meine Hände taten weh, obwohl ich diesmal den Ehering brav ausgezogen hatte. Natürlich hatte ich längst Rückenschmerzen, die Beine wollten nicht noch einmal die Staffeln hoch. Aber ein Wengerter kennt ja keinen Schmerz.

Wobei das nicht ganz stimmt: Längst sucht mich der Schmerz des Weinbauern heim, ich schaue sehnsüchtig gen Himmel und hoffe auf Regen! So etwas gab’s in meinem Leben wirklich noch nie, aber Mitglied 452 ist eben ein neuer Mensch.