Daniel Bleicher mit seinem Braumeisters spezial Foto: Peter Petsch

Beim Fußball-Gucken ist Wein für unseren Kolumnisten Michael Weier eine schwierige Sache. Er benimmt sich wie ein Kind – kleine Schlucke gegen die große Aufregung. Deshalb bleibt ihm bei der Fußball-WM nur der Verweis auf vernünftiges Bier.

Stuttgart - Es ist alle vier Jahre die völlig identische Geschichte: Während einer Fußball-WM wähnt sich der Weinkolumnist im Abseits. Ich versuche stets, mich den jeweiligen Ländern, die sich gerade auf dem Spielfeld tummeln, vinologisch anzunähern. Ich habe zum Beispiel extra brasilianischen Wein bestellt. Aber in dieser Hinsicht wäre mir lieber gewesen, die Spanier hätten ein besseres Spiel abgeliefert – und die Italiener sowieso. Und erst recht die Kroaten, deren Wein immerhin ein bisschen besser war bei meinen intensiven Recherchen als der brasilianische! Gut, die Franzosen sind noch dabei, so mancher Wein anbauender Südamerikaner und natürlich die Deutschen. Ich habe die Recherche jedoch wohlweislich aufgegeben: Wer weiß, wie weit die Brasilianer noch kommen? 

Fußball ist sowieso ein Bier-Sport. In einem Vaihinger Lokal namens Maulwurf präsentieren sie zur WM wieder 32 unterschiedliche Biere aus allen teilnehmenden Ländern. Dieser Ansatz ist eindeutig besser als meiner – und hat mich überzeugt. Ich trinke ebenfalls nur noch Bier zu den Spielen. Denn mir fehlt das Nervenkostüm meiner Frau. 

Frauen können beim neumodischen öffentlichen Fußball-Gucken Wein trinken, weil sie schlichtweg anders sind. Beim Spiel Deutschland gegen Ghana, live auf unserer Dachterrasse im Westen übertragen, war es ein Weißburgunder der Cannstatter Genossen, den sich die Damen teilten. Teilten! Ich halte mich bei solchen Spielen immer an meiner Flasche fest wie ein Kleinkind: kleine Schlucke gegen große Aufregung – so funktioniert meine Abwehrkette. Macht man dasselbe mit Wein, endet die Geschichte nicht gut. 

Heute Abend spielt Deutschland gegen die Amis, soll ich deshalb einen fetten Chardonnay öffnen? Nein, davon hätte nur meine Frau etwas. Ich wende mich lieber einem Trend aus den Vereinigten Staaten zu – und komme damit auch in gewisser Weise meiner Recherchepflicht nach: Besonders gebraute Biere wie Pale Ale sind in Mode. Als ich vor zwei Jahren in New York war, habe ich mich an den Produkten der Brooklyn Brewery gelabt. Aber ehrlich, liebe Leute: Dieser Trend bei den Amis, nicht mehr nur ihre langweilige Plörre zu trinken, der kommt doch von UNS! In Deutschland hat es trotz Globalisierung auf diesem Sektor (Stuttgarter Hofbräu gehört zur Radeberger-Gruppe!) immer kleine Brauereien geben. Neuestes Beispiel ist die Mikro-Brauerei Cast in Stuttgart. Und wer unbedingt Pale Ale will, wird just dort oder bei der Böblinger Schönbuch-Brauerei fündig.

 Ich glaube, die Amerikaner machen mal wieder viel Wirbel um wenig Substanz. So wenig, wie sie in den vergangenen 100 Jahren das Bierbrauen (oder das Brotbacken) meistern konnten, so wenig werden sie hoffentlich – auch mit einem deutschen Trainer – die letzten Finessen des Fußballspielens beherrschen. Deshalb kann heute Abend nichts schief gehen. Ich trinke Bier, natürlich kein Pale Ale, dafür speziell gebrautes Bergbier. Und die US-Boys erfahren von unseren Jungs, wie Fußballspielen wirklich geht.

Wenn Deutschland am Ende den Titel gewinnt, gewinne ich übrigens eine Flasche Champagner. Ich habe eine entsprechende Wette am Laufen. Wenn das Spiel aus ist, brauche ich nämlich kein Bier mehr . . .