Ex-Polizeipräsident Stumpf Foto: dpa

Die Schlinge zieht sich enger um den einstigen Polizeipräsidenten. Am Freitag bestritt Siegfried Stumpf vor dem Untersuchungsausschuss erneut, politisch beeinflusst worden zu sein. Allerdings muss er nun befürchten, strafrechtlich belangt zu werden.

Stuttgart - Offenbar war es eine perfekte Tarnung. Der Polizeipräsident, der am 30. September 2010 den misslungenen Polizeieinsatz zur Räumung des Schlossgartens für das Bahnprojekt Stuttgart 21 leitete, trug keine Uniform. Vielmehr war er bekleidet mit einem dunklen Anzug und gestreifter Krawatte, im Mantel stand er mit dem zuständigen Staatsanwalt auf einem Wiesenhügel beim Biergarten. Das Aussehen des damaligen Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf spielte nahezu vier Jahre lang keine Rolle. Bis jetzt.

Denn jetzt tut sich bei der Staatsanwaltschaft plötzlich doch der Verdacht auf, dass der damalige Polizeiführer seine Sorgfaltspflichten verletzt hat beim Wasserwerfer-Einsatz am sogenannten Schwarzen Donnerstag. Er hätte darauf achten müssen, dass die Vorschriften bei den Wasserstößen eingehalten werden. „Es besteht der Verdacht, dass Polizeipräsident a. D. Stumpf dies trotz seiner Gesamtverantwortung für den Einsatz sorgfaltswidrig unterlassen hat“, heißt es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft am Freitag. Deshalb sei gegen den Ex-Präsidenten Stumpf ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen eingeleitet worden.

Im Dezember 2011 war die Behörde noch anderer Auffassung: Für einen solchen Vorwurf gebe es keine Anhaltspunkte, es gebe somit auch keinen Grund für ein Ermittlungsverfahren. Stumpf seien die Fehler Einzelner nicht zuzurechnen, er sei außerdem über die ungewöhnlichen Zwischenfälle beim Wasserwerfereinsatz nicht unterrichtet gewesen.

Wie gründlich wurde da ermittelt? Beim Wasserwerfer-Prozess gegen zwei Polizei-Abschnittsleiter am Stuttgarter Landgericht jedenfalls warten die Angeklagten mit minutiös belegten neuen Erkenntnissen auf. Die im Prozess von Stumpf zitierte Behauptung, er sei erst gegen 14.30 Uhr im Park gewesen und habe nur Wasserregen wahrgenommen, sei nicht die Wahrheit, so ein 41-jähriger Polizeioberrat. Er verwies auf eine Videosequenz, bei der gegen 14.10 Uhr ein schießender Wasserwerfer zu sehen ist – mit zwei unscheinbaren Herren, die die Szene auf einem Hügel beobachten.

Hat man vor lauter Wald die Bäume nicht gesehen? Bei den unscheinbaren Herren soll es sich um Stumpf und den damaligen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler gehandelt haben. Die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann zeigte sich ebenfalls verblüfft: „Auch wir hatten die entsprechenden Videosequenzen gesehen“, sagte sie am Freitag, „auch wir haben die beiden Herren auf dem Video aber nicht erkannt.“ Also doch perfekt getarnt? Die Videosequenzen seien unter einem anderen Schwerpunkt ausgewertet worden, heißt es nun bei der Staatsanwaltschaft. Aber eine neuerliche Prüfung „bestätigte den Verdacht“.

Stumpf soll also doch mehr gesehen haben, als er zugibt. Am Freitagnachmittag, bei seinem Auftritt vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss, machte er dazu keine Angaben. Bei der Befragung, die am Freitag um 16.34 Uhr begann und um 19.16 Uhr endete, ging es vorrangig um den politischen Aspekt. Stumpf wiederholte dabei: Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus habe den harten Polizeieinsatz am 30. September 2010 in keiner Weise diktiert. „Auf mich gab es weder als Behördenchef noch als Einsatzleiter eine Einflussnahme seitens der Landesregierung“, sagte Stumpf. Der Grund, dass der Einsatz durchgezogen wurde, sei „allein polizeilichen Überlegungen“ geschuldet gewesen.

Allerdings: Am Abend vor dem geplanten Abriss des Hauptbahnhof-Nordflügels am 18. und 19. August 2010 soll Mappus Druck auf den damaligen Landespolizeipräsidenten Wolf-Dietrich Hammann ausgeübt haben. Das erklärte Stumpf vor dem Ausschuss. Zuvor hatte im Raum gestanden, der Ex-Ministerpräsident habe Stumpf direkt gegenüber gedroht: „Bringen Sie den Bagger rein. Wenn Sie nicht wollen, hole ich eine Polizei aus einem anderen Bundesland.“ Das sei aber nicht der Fall gewesen, sagte der Polizeipräsident a. D. Die Äußerung sei vielmehr in einem Telefonat mit Hammann gefallen. „Es gab einen Anruf des Landespolizeipräsidenten mit einer Weisung des Ministerpräsidenten“, erklärte Stumpf. Damit habe Mappus gegen die polizeitaktischen Überlegungen gehandelt und das Innenministerium übergangen. Gegen Mappus und Hammann ermittelt die Staatsanwaltschaft deshalb ebenfalls.