Lombok ist eine von vielen indonesischen Inseln, auf denen Quellen im Meer zur Wasserversorgung beitragen. Foto: Mauritius

Süßwasserquellen unter dem Meeresspiegel versorgen in vielen Regionen der Welt die Küstenbewohner mit Trink- und Brauchwasser. Mit den Möglichkeiten der modernen Technik lässt sich die Ausbeute weiter steigern.

Java - Gebete in einem Tempel an der Südküste der Insel Java gehören für einen Politiker in Indonesien genauso zum Wahlkampf wie hierzulande ein Bad in der Menge. Welche Methode den größeren Erfolg verspricht, ist noch nicht abschließend geklärt. Für die indonesische Variante spricht allerdings, dass die Politiker dort für ein Wunder beten, das Geologen wie Nils Moosdorf und Till Oehler vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen in der Zeitschrift „Earth Science Reviews“ mit den Methoden der Naturwissenschaften gut erklären können. An den Küsten der indonesischen Inseln stehen einige Tempel wie zum Beispiel Tanah Lot auf Bali auf Quellen, aus denen Süßwasser sprudelt, obwohl sie sich im Meer befinden.

Solche Quellen gibt es aber nicht nur in exotischen Gefilden, sondern zum Beispiel auch am Sahlenburger Strand in Cuxhaven, wo Süßwasser aus dem Watt quillt. Ähnliches passiert auch an vielen anderen Küsten. In manchen Weltgegenden nutzen die Küstenbewohner solche Quellen sogar als Trink- oder Brauchwasser sowie zum Tränken des Viehs. „Solche Süßwasserquellen unter dem Meeresspiegel gibt es vor allem dort, wo sich Karst- oder Vulkangestein mit vielen Spalten und Klüften vom Land bis unter das Meer erstreckt“, erklärt Till Oehler. Weil in solchen Gebieten die Niederschläge kaum an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe sickern, fließen viele Bäche und Flüsse nicht oben, sondern wie zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb in Höhlen- und Kluftsystemen im Untergrund.

Nur fehlt in Baden-Württemberg halt das Salzwasser-Meer, das es in Form der Adria beim ganz ähnlichen Karstgestein der Balkanhalbinsel durchaus gibt. Ähnlich wie bei der Schwäbischen Alb sammelt sich auch dort das in die Tiefe sickernde Wasser in Klüften und Spalten. „Dieses Wasser strömt unter der Erde bis unter die Adria“, erklärt Till Oehler. Ein solcher Karstwasserstrom aus dem mehr als 1700 Meter hohem Biokovo-Gebirge im Süden Kroatiens speist zum Beispiel eine Quelle, deren Wasser 50 Meter unter dem Meeresspiegel in der Vrulja-Bucht aus dem Untergrund der Adria drückt. Und das mit einer solchen Kraft, dass an der Oberfläche das Wasser kräftig umherwirbelt.

Eine Betonmauer trennt Salz- und Süßwasser

Andere Quellen treten deutlich weiter oben aus, am Sahlenburger Strand im niedersächsischen Cuxhaven ist es nicht einmal ein halber Meter unter dem Meeresspiegel. Die Küstenbewohner kennen viele dieser Süßwasserströme im Meer wohl seit Urzeiten. Auf der Halbinsel Peleponnes in Griechenland quillt zum Beispiel Wasser aus dem Grund des Argolischen Golfes nach oben. Dort opferten nach alter Überlieferung bereits die alten Griechen dem Meeresgott Poseidon Pferde. Jahrtausende später – nämlich im Jahr 1972 – wurde eine 150 Meter lange Betonmauer gebaut, die das Quellgebiet vom salzigen Mittelmeerwasser trennt. Über einen 15 Kilometer langen Kanal fließt dieses Wasser in die Argos-Ebene und bewässert dort Äcker.

Auch andere Quellen unter dem Meeresspiegel werden schon lange von Menschen genutzt. Die moderne Wissenschaft aber hat dieses Phänomen bisher weitgehend ignoriert. Erst die ZMT-Forscher Nils Moosdorf und Till Oehler studierten historische Schriften und Zeitungsartikel, stöberten in Taucherzeitschriften und werteten Befragungen der Bevölkerung in etlichen Küstenregionen aus.

Sehr häufig wurden sie dabei fündig. Bis zu zehn Prozent der Wassermenge, die Flüsse und Bäche ins Meer tragen, könne weltweit aus Quellen fließen, die unter dem Meeresspiegel liegen, schätzt Till Oehler. Da die Daten allerdings sehr lückenhaft sind, könnte es deutlich viel weniger sein. Genau wie die Karst- und Vulkangesteine, in denen das Wasser Richtung Meeresgrund fließt, gibt es solche submarinen Quellen in sehr vielen Regionen der Welt, die immer wieder auch von Menschen genutzt werden.

Das Wasser aus dem Meer ist sauberer als das auf der Insel

Auf der wie das benachbarte Bali zu Indonesien gehörenden Vulkaninsel Lombok ist das Wasser an Land vielerorts von Schadstoffen belastet. Also holen sich die Küstenbewohner Trinkwasser aus den viel weniger belasteten Quellen im Meer. Im einfachsten Fall schöpfen die Menschen das Wasser wie auf der Insel Java direkt aus flacheren Quellen, wenn der Strand um sie herum bei Ebbe trocken fällt. Sprudelt das Wasser etwas tiefer aus dem Untergrund, kann man es mit Betonmauern wie auf dem griechischen Peloponnes vom Salzwasser trennen. Auch auf den Inseln Indonesiens haben die Bewohner einige solcher Brunnen ins Meer gebaut.

Ist auf Inseln das Wasser knapp, sammeln die Bewohner das Regenwasser in Zisternen zum Trinken. Zum Waschen aber gehen die sie zu den Quellen am Strand. Bricht die Wasserversorgung zusammen, greifen die Südsee-Insulaner auf Tahiti oder auf den Fidschi-Inseln auch heute noch auf diese Ressource zurück.

Aber auch noch tiefere Quellen werden schon seit Langem genutzt. Im Inselstaat Bahrain im Persischen Golf tauchten Menschen zum Beispiel bereits im 15. Jahrhundert vor der Küste, um Felle mit dem dort austretenden Süßwasser zu füllen. In der Wüstenlandschaft ihrer Inseln war dieses Trinkwasser heiß begehrt. Seit es Plastik gibt, lässt sich diese Methode verfeinern. Stülpt man über die Quelle im Meer eine Glocke aus dichtem Kunststoffgewebe, kann man das Süßwasser an der höchsten Stelle der Kuppel mit einem Schlauch abzapfen. Häufig fördern die Küstenbewohner damit allerdings Brackwasser mit deutlich erhöhtem Salzgehalt, das so nur noch als Brauchwasser zum Beispiel zum Wäschewaschen verwendet werden kann. Auch das entlastet die knappen Wasserressourcen an Land.

Buntes Leben unter Wasser

Süßwasserquellen Wonky Holes heißen Quellen, die bis zu 60 Kilometer vor den Küsten Australiens unter dem Meeresspiegel Süßwasser fördern. Darin können reichlich Nährstoffe gelöst sein, die im Meer eher knapp sind. An solchen Unterwasserquellen wachsen Algen daher besser als in reinem Meerwasser. Das Grünzeug wiederum lockt andere Meeresbewohner an, die sich damit den Bauch vollschlagen. Fischer kennen solche Wonky Holes jedenfalls recht gut, weil sie ihnen einen guten Fang garantieren.

Aquakulturen In Japan gibt es ebenfalls Quellen unter dem Meer, die viele Nährstoffe enthalten. Aquakulturen versprechen dort besonders hohe Erträge, weil Austern unter diesen Bedingungen gut wachsen.

Körperpflege Fische werden von Süßwasserquellen im Meer vielleicht auch deshalb angelockt, weil sie dort Parasiten in ihren Schuppen sehr gut loswerden können. Viele dieser gefährlichen Mitbewohner vertragen nämlich kein Süßwasser.