Das Landesverkehrsministerium will im Bundesrat weiter für die baldige Einführung der blauen Plakette kämpfen. Foto: dpa

Das Verkehrsministerium hat im Rathaus vorläufige Ergebnisse einer Wirkungsanalyse zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte präsentiert. An der Einführung der blauen Plakette führt demnach kein Weg vorbei.

Stuttgart - Die Einführung der blauen Plakette für besonders schadstoffarme Autos könnte nach Einschätzung des Landesverkehrsministeriums einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Stickoxidemissionen am Neckartor leisten. Doch allein damit würden die Messwerte offenbar nicht ausreichend gesenkt. Wenn man den vorgeschriebenen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft einhalten will, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Das ist das vorläufige Resultat der sogenannten Wirkungsanalyse, die Vertreter des Ministeriums am Dienstag den Stadträten im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats präsentiert haben. Die endgültige Fassung des Gutachtens soll bis Jahresende vorliegen.

Wer sich vom Auftritt der Vertreter des Landesverkehrsministeriums einen Durchbruch in Sachen Luftreinhaltung erwartet hatte, wurde freilich enttäuscht. Amtschef Uwe Lahl und der Leiter der ministeriellen Abteilung für Nachhaltige Mobilität, Christoph Erdmenger, machten keinen Hehl daraus, dass das Land beim Thema Luftreinhaltung unter Druck steht. Der Grund: Im April hatten zwei klagende Anwohner am Neckartor einen gerichtlichen Vergleich erstritten, wonach die Zahl der Autos an dem Verkehrsknotenpunkt auf der B 14 bei schadstoffträchtigen Wetterlagen von Januar 2018 an um 20 Prozent zurückgehen muss.

Zudem ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) am Stuttgarter Verwaltungsgericht auf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anhängig; in einem ähnlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die DUH im September einen Sieg erstritten. „Wir haben Angst davor, dass ein Richter Verkehrsbeschränkungen auch in Stuttgart verhängt“, bekannte Uwe Lahl. Deswegen müsse schnellstmöglichst alles unternommen werden, um die Grenzwerte einzuhalten.

Das Ministerium hat daher in einer Simulation den Wirkungsgrad diverser Maßnahmen abgeschätzt. Demnach würde die Einführung einer blauen Plakette inklusive einer Umweltzone die Stickoxidbelastung der Luft um 40 Prozent mindern. Deutlich geringer ist der Untersuchung zufolge etwa die Wirkung der Umstellung von Taxis, Paket- und Sozialdienstfahrzeugen und des städtischen Fuhrparks auf Elektroantrieb (zwei bis vier Prozent). Die staatliche Subventionierung und Kaufanreize für den privaten Kauf eines E-Autos (zum Beispiel der Erlass von Parkgebühren) macht der Studie zufolge sogar nur ein Prozent weniger Stickoxid pro Kubikmeter Luft aus. Temporäre und lokale Verkehrsbeschränkungen etwa am Neckartor würden übers Jahr gerechnet den Ausstoß um immerhin fünf Prozent senken; eine City-Maut, für deren Einführung allerdings der Bund erst die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen müsste, brächte eine Reduzierung von sieben Prozent, die Einführung einer Nahverkehrsabgabe vier Prozent. Selbst eine befristete Sperrung der City für Dieselfahrzeuge würde den Schadstoffausstoß nur um sechs Prozent senken. Erdmenger sprach von einer „überschaubaren Wirkung“.

Wirkung der E-Mobilität wesentlich geringer als vermutet

Das Fazit der Expertise: Nur eine Kombination der Maßnahmen sei erfolgversprechend. Zugleich wiesen die Vertreter des Ministeriums darauf hin, dass man auch die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen im Auge haben müsse. Lahl betonte: „Wir kämpfen weiter für die blaue Plakette, sie ist nicht tot“. Dazu will das Land auch die Konferenz der Verkehrsminister nächste Woche in Stuttgart nutzen. Die Einführung des Signets liege auch im Interesse der Automobilindustrie. Das Kabinett werde in der nächsten Woche außerdem über einen entsprechenden Bundesratsantrag entscheiden.

SPD kritisiert Pingpong-Spiel zwischen Bund und Land

Die Stadträte nutzten die Zwischenergebnisse des Gutachtens, um nochmals ihre konträren Standpunkte deutlich zu machen. Die CDU setzt unter anderem auf den Neubau von Tunnels und Straßen sowie die Verflüssigung des Verkehrs. Ihr Fraktionschef Alexander Kotz forderte die Stadtverwaltung auf, beim Thema Emissionsreduzierung „Gas zu geben“.

Die Grünen lobten die bisher eingeleiteten Schritte und setzen laut dem Fraktionsvorsitzenden Andreas Winter weiterhin auf einen Bewusstseinswandel bei den Autofahrern sowie die Innovationsfähigkeit der Automobilhersteller. SPD-Fraktionschef Martin Körner dagegen sprach von einem „schwer erträglichen“ Pingpong-Spiel zwischen dem Bund und dem Land, das auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werde. Er forderte das Land auf, Geld für die Ausweisung neuer Park-and-Ride-Plätze bereitzustellen und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs finanziell zu unterstützen.

Christoph Ozasek (Linke) nannte den Bau neuer Tunnel kontraproduktiv und verwies auf die geringe Wirkung der E-Mobilität: „Ohne Verkehrsbeschränkungen und Fahrverbote wird es nicht gehen.“ Jürgen Zeeb (Freie Wähler) nahm die Region in der Pflicht, und Michael Conz (FDP) bilanzierte das Untersuchungsergebnis so: „Was Sie vorschlagen, ist Autofahren verbieten in verschiedenen Varianten“. Ob es dazu kommt, könnten am Ende offenbar die Gerichte entscheiden.