Die neuen Züge sollen im Landes-Design fahren – wie dieser Prototyp Foto: SWEG

Ab 2016 wird der Schienennahverkehr  komplett umgestaltet: Neue Anbieter, neue Züge, neue Verbindungen. Angesichts des schleppenden Vergabeverfahrens herrscht jedoch große Skepsis.

Ab 2016 wird der Schienennahverkehr  komplett umgestaltet: Neue Anbieter, neue Züge, neue Verbindungen. Angesichts des schleppenden Vergabeverfahrens herrscht jedoch große Skepsis.

Stuttgart - Die CDU fürchtet in Sachen Nahverkehr den Untergang des Abendlands. Gut, nicht ganz. Aber zumindest, „dass Baden-Württemberg das Land der Silberlinge werden wird“. Silberlinge bezeichnet das veraltete, umlackierte Wagenmaterial der Deutschen Bahn (DB), das heute noch auf einigen Nahverkehrsstrecken im Südwesten unterwegs ist und eigentlich spätestens 2016 auf dem Eisenbahnfriedhof landen sollte.

Doch jetzt werden die alten Blechkisten auch über 2016 hinaus durchs Land rollen – prophezeit zumindest der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Landtag, Rudolf Köberle (CDU). Während die anderen Länder ihre Hausaufgaben gemacht und die Vergabeverfahren rechtzeitig auf den Weg gebracht hätten, habe die baden-württembergische Landesregierung unnötig Zeit vertrödelt. Mit der Folge, dass die Eisenbahnunternehmen ihre Bestellungen hierzulande nicht rechtzeitig aufs Gleis bringen können. „Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, endet das Ganze im Fiasko“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Nicole Razavi, unserer Zeitung.

Zum Hintergrund: 2016 läuft der Verkehrsvertrag zwischen dem Land als Besteller des Nahverkehrs und den Verkehrsunternehmen, von denen die DB Regio den Hauptteil leistet, aus. Die grün-rote Landesregierung will alles anders und besser machen als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Im Kern geht es um mehr Wettbewerb auf der Schiene, wodurch die Preise sinken und das Angebot besser werden soll. Also mehr und vor allem neuere Züge.

Das Vorhaben im Zusammenspiel zwischen Politik, Verkehrsunternehmen und Herstellern ist komplex. Und dann ist da auch noch das europaweite Ausschreibungsverfahren. „Verkehrsminister Hermann wusste von Anfang an, dass es zeitlich eng werden würde, aber hat nichts unternommen“, klagt neben Razavi auch der frühere Verkehrs-Staatssekretär Köberle. Die beiden haben den aktuellen Vergabezeitplan des Ministers einmal genauer unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: In vielen der regional unterteilten Netze ist das Land mit der Vergabe hintendran, im Schnitt ein Vierteljahr. Ohne die genauen Gründe zu kennen – die Antworten des Ministeriums auf eine parlamentarische Initiative stehen noch aus –, mutmaßen die CDU-Politiker: „Hermann fehlt der Mut, unter diese Riesensummen seine Unterschrift zu setzen.“ Statt der landeseigenen Nahverkehrsgesellschaft zu vertrauen, würde er ständig externe Gutachten und Expertisen einholen. Diesem Vorwurf sieht sich der Grünen-Politiker auch innerhalb der eigenen Koalition ausgesetzt. „Seine Gutachter entwerfen stets den idealen Plan. Das mag in der Theorie alles wunderbar sein, ist aber leider völlig realitätsfern. Die Praktiker sitzen bei der Nahverkehrsgesellschaft – und die machen das Geschäft schließlich schon seit 15 Jahren“, sagt einer aus der Reihe der Verkehrsexperten.

Ministerium hält Aufregung für überzogen

Was wäre eigentlich so schlimm daran, sollte Grün-Rot das Vergabeverfahren vermasseln? Tatsächlich würden zwischen Hohenlohe und Bodensee auch nach 2016 Züge verkehren. Die Frage ist nur, zu welchen Konditionen. Nicole Razavi zeichnet folgendes Schreckensszenario: Entweder verpflichtet die öffentliche Hand die Eisenbahnunternehmen dazu, erst einmal auf Gebühr weiterzufahren. Dies hätte jedoch den Nachteil, dass die Anbieter, also in weiten Teilen die DB Regio, nichts mehr in Infrastruktur und Wagenmaterial investieren, sondern nur noch Dienst nach Vorschrift praktizieren würden. Oder, zweite Möglichkeit, das Land handelt notgedrungen Übergangsverträge aus – in denen die Bahn dem Land dann allerdings ihre Vorstellungen diktieren könnte. Nach Ansicht von SPD-Verkehrsexperte Hans-Martin Haller bleibt Minister Hermann gar keine andere Möglichkeit. „Angesichts des Termindrucks halten wir es für geboten, Übergangsverträge zeitnah zu verhandeln.“

Hermanns Sprecher hält die Aufregung für völlig überzogen „Auch wenn sich die Vergabe in manchen Netzen um ein Quartal verschiebt, ist das Verfahren am Laufen. Die Verzögerungen lassen sich aufholen.“ Übergangsverträge schließt aber auch er nicht aus. Im Verkehrsministerium macht man die alte Landesregierung für die schlechte Vorarbeit verantwortlich (was diese vehement bestreitet). Vieles innerhalb des Ausschreibungsverfahrens liege außerdem nicht in der Hand des Ministeriums.

„Dass es schwierig werden würde, war von vornherein absehbar“, entgegnet Razavi. „Hermann scheitert bei einem ureigenen grünen Thema.“