Wer kauft reizvolle Unterwäsche? Eher die Männer oder doch die Frauen? Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Reden wir nicht um den Brei herum: Dessous sind etwas für gewisse Stunden. Für das Spiel der Verführung. Wer kauft diese Reizwäsche? Die Damen? Oder doch nur die Herren? Eine Übersicht.

Stuttgart - „Diese Frage wird mir sonst immer vor Weihnachten gestellt“, sagt Marjoke Breuning und lacht. Damit liefert die Chefin des Wäschehauses Maute-Benger eigentlich schon die Antwort. Also sind es doch die Herren, die der Dame ihres Herzens diese Präsente machen: Höschen und BH mit wenig Stoff und viel Chichi, einen String-Tanga, Body, Torselet, Bustier, ein Babydoll- Negligé oder gar Strapse. Gern in sündigem Schwarz. Obwohl das unschuldige Weiß auch seinen Reiz hat. Oft mit Cut-outs, zielorientierten Ausschnitten.

Vielsagende Geschenke mit eindeutiger Absicht?

Genieren müsse sich kein Mann, der damit seinen erotischen Fantasien auf die Sprünge helfen will, versichert Marjoke Breuning. Er könne sein Begehr entspannt und unbefangen vorbringen, das Verkaufspersonal stehe beratend zur Seite und zucke mit keiner Wimper.

„Kann denn Liebe Sünde sein?“

Nein, ist sie nicht. Und die Zeiten, in denen solche Dessous als schlüpfrig oder Schmuddelkram galten, seien zum Glück vorbei. Spätestens seit Jean-Paul Gaultier Madonna mit einem Bustier erotisch aufrüstete und Spaßhaben zur Lebensmaxime wurde. Alles darf hervorblitzen unterm Jackett, unterm Kleid. Wie eine intime Verlockung. Nicht von ungefähr kommt es, dass eine Dessous-Firma aus Italien, genau wie Frankreich ein Dorado vieler kleiner einschlägiger Boutiquen, den deutschen Markt flächeneckend erobert hat.

Geschenkidee für den Valentinstag

Der nächste Termin für solche Liebesgaben naht: Am 14. Februar ist Valentinstag. Sie freue sich immer auf die männliche Kundschaft, erzählt Ulrike Brucher von der Wäscheboutique Night Delight und stellt den Herren das beste Zeugnis aus: „Sie sind bestens auf diesen Kauf vorbereitet und wissen genau Bescheid. Weil sie entweder aus der Schublade ihrer Liebsten etwas mitgebracht oder die richtige Größe schon im Handy gespeichert haben.“

Treffen sie tatsächlich den Geschmack der Herzensdame? Oder ist der erlauschte Dia-log zwischen zwei Frauen mittleren Alters in einer Stuttgarter Lingerie-Boutique eher symptomatisch? Sie begutachten zwei Slips in Shapewear, einer davon mit String. „Sieht schon sexy aus“, sagt die eine. „Jaaa“, sagt die andere gedehnt, „aber des musch möga.“

Manche Frauen mögen es lieber bequem

Marjoke Breuning weiß auch, dass es die meisten Frauen im Alltag darunter gern bequem haben: Slip, BH und Hemdchen, die nicht kneifen, aus Baumwolle und kochfest. Richtige Unterwäsche eben, die in die Kategorie Wirkwaren gehört. „Das andere sind Miederwaren“, klärt die Expertin auf. Man denkt sofort an Korsetts mit Stäbchen aus Stahl und Fischbein. Die haben in diesen Dessous nichts mehr verloren. Umso lieber, versichert sie, statten sich die Damen mit Spitze und Seide als passender Ergänzung zum eleganten Outfit aus: Für einen Ball, ein Fest, die Oper oder was auch immer.

Und natürlich auch für die Erfüllung erotischer Träume. Mit einer neuen Liebe. Oder um eine abgekühlte Leidenschaft neu zu entfachen: „Ein nice to have, das nicht zu viel kostet und bald auf dem Boden landet.“ Der uralte Witz vom Ehemann, der erschrickt, als er seine Frau in schwarzer Reizwäsche erblickt und entsetzt fragt: „Ist was mit Oma?“, ist wohl fehl am Platz.

„Ich wollte ein Wäschegeschäft bieten, in dem sich Frauen wohlfühlen“, war die Ab-sicht von Ulrike Brucher. „Ohne Boudoir-Schwüle, ohne Wäsche mit Cut-outs, ohne Corsagen, ohne eindeutige Zweideutigkei-ten. Erotisch ist die Lingerie trotzdem. Für selbstbewusste und erwachsene Frauen.“

String sei übrigens fast out. Männer würden Pantys bevorzugen. Und natürlich Strumpfgürtel. Darum habe ein junges Mädchen hier kürzlich seine ersten Strapse gekauft: „Mein Freund hat es sich gewünscht.“ So kann sie sich schon mal dran gewöhnen, denn unterm Brautkleid sind sie ein Must. Und manch andere Kundin, plaudert die Geschäftsfrau noch aus, werde fast neidisch, wenn sie hier auf einen Wäsche kaufenden Mann treffe, denn die hübsche Verpackung ist ein Kompliment für den Inhalt: „Aber mein Mann schenkt mir immer nur Haushaltsgeräte“, beklagte sich eine Dame bitter.

Auch Frauen dürfen sich zu ihrer Lust bekennen

Die Grenzen, was der eine oder andere erotisch findet, seien fließend, sagen sowohl Marjoke Breuning wie auch Ulrike Brucher. Bewusst die Grenze ein bisschen großzügig ausgelegt haben Alexandra Steinmann und Mascha Hülsewig in ihrer gar nicht anrüchigen Boutique Erotique – man beachte die französische Schreibweise – genannt Frau Blum. Da sind nicht nur Cut-outs, auf Französisch Ouvert-Modelle genannt, erlaubt, da gibt es auch Strings mit Strassdekor und Glitzergebaumel, die nur das Nötigste verdecken und gleichzeitig betonen.

Männerspielzeug?

Klar, aber nicht nur, wie Alexandra Steinmann versichert. „Die Zeit ist reif, dass sich auch Frauen zu ihrer Lust bekennen. Sie sind meist über 40, lieben es, sich auch darunter hübsch zu kleiden, denn tolle Wäsche gibt ein gutes Gefühl und regt das Kopfkino an.“

Dass Jana Wagner ihren Wäscheladen ebenfalls französisch betitelte und Le Néné nannte, hat eine besondere Bewandtnis. Denn „le néné“ ist der Slangausdruck für Titte, und die BHs, Bikinis und Badeanzüge sind für Frauen nach einer Brustamputation. Blickdicht, mit einer Innentasche für die Prothese und dennoch reizvoll. „Weil sich alle Frauen sexy, schön und weiblich fühlen wollen“, betont Jana Wagner.

Die Frage, wer die verführerischen Dessous kauft, ist damit wohl erschöpfend beantwortet. Ed geht um Lustgewinn. Und da herrscht Gleichberechtigung.