Das Ludwigsburger Polizeipräsidium hatte den Bürgermeister zunächst kritisiert, sagt aber jetzt: „Für uns ist das Thema erledigt.“ Foto: Pascal Thiel

Der Hessigheimer Bürgermeister hat die Bevölkerung vor einem Sexualstraftäter gewarnt – die Aktion schlägt hohe Wellen. Rechtlich ist die Vorgehensweise nicht zu beanstanden, außerdem erhält der Bürgermeister viel Zuspruch. Aber es gibt auch andere Stimmen.

Hessigheim - Hat der Hessigheimer Bürgermeister Günther Pilz korrekt gehandelt, als er in der vergangenen Woche die Kitas und die Grundschule in seinem Ort vor einem ehemaligen Sexualstraftäter warnte? In diversen Foren, auch auf der Facebook-Seite dieser Zeitung, wird seit Tagen intensiv über den Fall diskutiert. „Ich finde sein Verhalten absolut angemessen. Es geht um die Sicherheit unserer Kinder“, schreibt eine Nutzerin. „Gut reagiert der Bürgermeister.“ „Respekt Herr Bürgermeister“. „Danke an den couragierten Bürgermeister“. So oder ähnlich kommentieren viele Leser den Fall.

Vereinzelt werden andere Stimmen laut. „Panikmache war das!“, findet eine Facebook-Nutzerin, eine andere warnt vor Selbstjustiz. Gefragt wird auch, ob der Bürgermeister sich strafbar gemacht hat, weil er jemanden an den Pranger gestellt habe. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Menschen, die Sexualdelikte begangen haben, ist nicht einfach zu beantworten.

Anders ist das bei der Bewertung der rechtlichen Aspekte – die muss in diesem Fall das Ludwigsburger Landratsamt klären, das für die Kommunalaufsicht zuständig ist. Von dieser Seite muss Pilz keine Konsequenzen fürchten, im Gegenteil: „Es war seine Entscheidung, die er sich sicherlich nicht einfach gemacht hat“, erklärt der Behördensprecher Andreas Fritz. „Rechtlich ist sein Vorgehen nicht zu beanstanden.“ Das Regierungspräsidium als übergeordnete Behörde sieht ebenfalls keinen Anlass, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Pilz selbst hat bereits vor einigen Tagen gesagt: „Ich würde wieder so handeln.“

Der Mann galt zunächst als ungefährlich – dann änderte sich die Einschätzung

Am Mittwoch vor einer Woche hatte der Bürgermeister erfahren, dass seit Herbst ein Mann in Hessigheim wohnt, der wegen Sexualdelikten zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Nach seiner Freilassung galt der Mann zunächst als ungefährlich, musste aber, wie bei ehemaligen Sexualstraftätern üblich, gewisse Auflagen erfüllen. Betreut wurde er unter anderem von einem Beamten der Kriminalpolizei. Dieser Beamte informierte schließlich Pilz und das Landratsamt, dass sich in Gesprächen Hinweise ergeben hätten, dass der Mann rückfallgefährdet ist.

Der Bürgermeister warnte daraufhin die Kitas und die Schule vor der möglichen Gefahr, ohne die Identität des Mannes preiszugeben, während das Gesundheitsamt des Landratsamts eine neuerliche psychiatrische Untersuchung anordnete – auf deren Basis der Mann am Freitag in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde.

Sicherheitsinteressen müssen gegen Persönlichkeitsrechte abgewogen werden

In einem solchen Fall gibt es klare Regeln. Große Kreisstädte können psychiatrische Untersuchungen selbst in Gang setzen, bei kleineren Kommunen wie Hessigheim ist der Landkreis zuständig. Heißt: der Kripo-Beamte hätte den Bürgermeister nicht alarmieren müssen. Dass er es trotzdem tat, sei kein Fehler, betont das Landratsamt. „Dass Wichtigste ist doch, dass eine potenzielle Gefahr frühzeitig erkannt wurde“, so Fritz. Seine Kompetenzen habe Pilz jedenfalls nicht überschritten, als er die Kitas und die Schule warnte: „Es besteht keine Verpflichtung, vorher mit uns Rücksprache zu nehmen.“

Das Polizeipräsidium hatte den Bürgermeister zunächst kritisiert, weil dessen Warnung die Bevölkerung unnötigerweise in Unruhe versetzt habe. „Wir unterstellen ihm nichts Schlechtes“, sagt der Präsidiumssprecher Peter Widenhorn jetzt. „Für uns ist das Thema erledigt.“

Bleibt die schwierige Frage, wie sich diese beiden Aspekte in Einklang bringen lassen: der Schutz der Bevölkerung vor potenziellen Straftätern und die Resozialisierung von ehemaligen Straftätern. Auch Sexualstraftäter müssen, wenn sie ihre Strafe verbüßt haben, die Chance bekommen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren – was, wenn sie öffentlich an den Pranger gestellt werden, kaum möglich ist. „Die Entscheidung, ob eine Information der Öffentlichkeit notwendig und sinnvoll ist, hängt dabei vom konkreten Einzelfall ab“, sagt Renato Gigliotti, der Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. „Dabei sind die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gegen die Persönlichkeits- und Freizügigkeitsrechte des Entlassenen sorgfältig abzuwägen.“