Der Aufstieg zur Hintereck-Hütte ist anstrengend, die Einkehr dafür umso schöner Foto:  

Winkel sind verborgene, abgelegene Orte. Im Elz- und Simonswäldertal im südlichen Schwarzwald gibt es viele solcher Winkel, die auf den Wanderpfaden der Schwarzwälder Hüttenwinkel zu entdecken sind.

Elzach - Früher waren die Wanderwege nur mit gelben, blauen und roten Rauten markiert. Doch einfach nur den Rucksack packen und losmarschieren reicht heute nicht mehr. Wandern ist anspruchsvoll geworden, muss neben der Natur besondere Erlebnisse und Genuss beinhalten. Deshalb sprießen jährlich neue Beschilderungen im Wald. Wege, deren Namen auf -steig und -pfad enden, werden mit allerlei Anreizen wie Himmelsliegen, Schnaps- und Weinbrunnen ausgestattet. Bei der neuesten Wanderattraktion, dem Schwarzwälder Hüttenwinkel, besinnt man sich auf Altbewährtes: die Einkehr in einer rustikalen Hütte mit herzhaftem Vesper. Eine davon ist die anspruchsvolle Wildbach-Tour, die auf der Karte mit „Bachgeflüster und Vesperfreuden“ umschrieben ist.

Ein Pfad führt am Ende des Simonswäldertals am Ufer der Wilden Gutach in die Teichbachschlucht. An heißen Sommertagen ist der Aufstieg durch die enge Klamm herrlich erfrischend. Das schattige Grün schirmt die Sonne ab. Hie und da dringen vereinzelte Strahlen durch die mächtigen Tannen. Ein Schild macht aufmerksam: Bannwald. Der Wald ist sich selbst überlassen, hier darf die Natur wild und ursprünglich sein. Umgestürzte Baumstämme liegen über dem Teich, moosige Felsen säumen Ufer, Wasser sprudelt in glitzernden Kaskaden, daneben führt der Pfad bergauf.

Auf halbem Weg verstummt der Bach. In der Mitte der Klamm türmt sich eine Felswand wie eine Burg empor. Der Pfad führt am Fuße der Klippe entlang, hinaus aus der Teichbachschlucht. Statt über moosigen Waldboden geht es durch ein Felsenmeer und über ein Geröllfeld. Der Weg mutet alpin an. Nun heißt es Höhe gewinnen. Ein Serpentinenpfad windet sich steil zur Hintereck-Hütte hinauf. „Wer d’Wäldersteig nuff got innere halbe Stund, der brucht no kei Dokter, der isch no g’sund“ (Wer den Wäldersteig in einer halben Stunde hinaufgeht, braucht noch keinen Arzt, der ist noch gesund) macht ein Schild augenzwinkernd auf den bevorstehenden Anstieg aufmerksam.

Die Zukunft der Hütte ist ungewiss

Keine halbe Stunde später grüßt ein weiteres Schild: „So, häsch g’schwitzt?“ Nach dem Aufstieg erfrischt ein Brunnen mit eiskaltem Quellwasser die durstigen Kehlen der Wanderer. Auf 950 Metern gelegen, thront die Hintereck-Hütte wie ein Adlerhorst auf der Höhe. Mit einem herzhaften Vesper, Bergkäse und Schwarzwälder Speck, die Blicke ins Tal schweifend, die Beine von sich gestreckt, ein Radler in der Hand, so möchte man gar nicht mehr weg. Ein Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Alle Sonnenplätze rund um die Hütte sind belegt, die ehrenamtlichen Helfer des Schwarzwaldvereins Ortsgruppe Gütenbach haben alle Hände voll zu tun. Die Hütte wird nur noch bis Anfang 2016 von den Gütenbachern bewirtschaftet. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder können die Arbeit nicht mehr alleine stemmen. Es bleibt die Hoffnung, dass es weitergeht, irgendwie.

Wandern macht nicht nur hungrig, sondern gesellig. Schnell kommt man mit dem Tischnachbarn ins Gespräch. Hier oben duzt man sich, Rucksack und Wanderschuhe verbinden über alle Konventionen hinweg. Es ist ein Ort, an dem Geschichten aufleben und bewahrt werden. Wie die vom Plattenwieble: einer schrulligen Frau, die in Männerklamotten und Pfeife rauchend anzutreffen war. Die Einsiedlerin klaute den Bauern ihr Vesperbrot und schnorrte bei Wanderern um Tabak. 1936 starb sie, 82-jährig. Ihren einzigen Besitz, die Pfeife und etwas Tabak, hat man ihr mit ins Grab gelegt.

Auf dem Wildsauweg geht es zum Aussichtsfelsen Spitzer Stein. Weit unten liegt das Simonswäldertal. Dann folgt der Abstieg. Der Pfad ist in einigen Abschnitten so steil, dass Äste und Bäume als Sicherung herhalten müssen. 680 Höhenmeter bis zur Hintereck-Hütte hinauf und genauso viele sind es ins Kilpental hinunter. Auf einer Lichtung summt es. Es sind Bienen. Der Imker erzählt vom seltenen Weißtannenhonig, den es dieses Jahr wieder gibt. Stolz präsentiert er die Ausbeute seiner Bienenstöcke. Auch die Wanderer sind stolz. Auf die Höhenmeter, die Aussichten, das Vesper.