Marco Michael Wanda beim Konzert in der Manufaktur Schorndorf Foto: Steffen Schmid

Wanda haben die Party wiedererfunden. Am Donnerstag hat die Band aus Wien dreckig, laut und gut gelaunt in der ausverkauften Manufaktur in Schorndorf gespielt

Schorndorf - Der Abend soll eine Party werden, das machen Wanda schnell deutlich: Die Band aus Wien tänzelt ausgelassen am Donnerstagabend auf die Bühne der Manufaktur. Marco Michael Wanda, Manuel Christoph Poppe, Christian Hummer, Reinhold Weber und Lukas Hasitschka haben die Arme voll von einheimischen Bier, sie schenken ein paar Flaschen den Fans in der ersten Reihe, behalten den Rest für sich, und trinken ihn tapfer weg, während sie spielen. Außerdem stecken sie sich die eine oder andere Zigarette auf der Bühne an.

Das gehört zu Schau, und die Schau, das ist das grobe Leben, der Spaß, die Sehnsucht, der Schnaps. Wanda kommen aus Wien, sie sind die Band der Stunde, die Band, die jeder sehen will. Die Manufaktur ist seit Wochen schon ausverkauft.

Wanda haben ihren Namen von der legendären Wiener Puffmutter Wanda Kuchwalek, sie liegt seit 2004 auf dem Stammersdorfer Zentralfriedhof, sie soll kein Schätzchen gewesen sein. Und Wanda spielen so, dass sich Halbweltgefühl, Sentiment, Tollheit und Rock’n’Roll vermischen, ihre Musik liegt irgendwo zwischen angeheitertem Schlager vergangener Zeiten und krachender Garagen-Psychedelik, lebensfroh, schmutzig, wild und schillernd. „Ich hab Zeit, wir haben so viel Zeit, Babe“, singt Marco Michael Wanda, „weil niemand weiß, dass es uns überhaupt gegeben hat, Babe.“ Das ist Existenzialismus fürs Volk, das riecht nach Kneipe, Heldentum und Tod.

Wanda lösen auf einen Schlag eine ganze Menge der Probleme, mit denen sich die deutschsprachige Popmusik herumschlägt: Sie sind kein bisschen intellektuell, kein bisschen bemüht, und dabei doch nicht flach, sie singen ganz ungebremst auf Wienerisch. Das tat bislang fast nur Falco, der Dialekt ist noch nicht verbraucht und zugleich sehr weit entfernt von all den kränkelnden Versuchen vieler Casting-Show-Gewinner, das Hochdeutsche ins Popformat zu pressen. Muss alles nicht sein. Wanda lassen die Zügel sausen, sie scheren sich nicht, sie wissen, wie man feiert. Auf eine Band wie sie haben viele gewartet. Die Manufaktur liefert den Beweis.

Marco Michael Wanda schreibt die Texte, steht im Mittelpunkt. Er schreit mit einer rauen Stimme, breitet die Arme aus, dreht sich. Dass er am Hinterkopf schon etwas kahl zu werden scheint, passt nur zu gut ins Straßenbild. Bassist Reinhold Weber ist der zweite Mann für die große Show, er tanzt mit seinem Instrument, lässt den langen Hals der Bassgitarre wippen, kniet nieder, schwitzt. Schlagzeuger Lukas Hasitschka trommelt wie von Sinnen. Manuel Christoph Poppe an der Gitarre bleibt ganz zurückhaltend, macht aber viel rockigen Lärm mit seinem verzerrten Instrument. Und das Keyboard von Christian Hummer quiekt und jault und scheppert, als käme es vom Rummel.

Dort scheinen auch viele der Songs herzukommen, die von Alkohol erzählen und von Amore – einfache Stücke im krachigem ungepflegten Garagensound. Als sich der Sänger dann aber auf die Hände seiner Fans wirft und sich von ihnen durch den Saal tragen lässt, an der Bar nicht hängen bleibt, aber dennoch lange unterwegs ist, lassen Wanda das kaputte Schlagerterrain ganz hinter sich und spielen einen psychedelischen Jam: die hallende Gitarre regiert, die Orgel, und jeder denkt irgendwann The Doors. Ganz klar: Wie der selige Jim Morrison huldigen diese Typen aus Wien Dionysos, dem Gott des Rausches, der Fruchtbarkeit, der Ekstase und des Wahnsinns.

Nach ihrem Ausflug – instrumental für die Band, sehr körperlich für ihren Sänger – finden sie zurück, zu ihrer raubeinigen Saufmusik, die klingt, als käme sie aus einer Jukebox, die schon vieles mitgemacht und alles gesehen hat. Wanda spielen gut 90 Minuten in der Manufaktur, lassen die Leute tanzen. Security sieht man sonst eher selten an diesem Ort, das Bier wird heuer nur in Plastikbechern angeboten.

„Jetzt kenntet mir uns a bisserl besser“, ruft Marco irgendwann den Wanda-Fans zu. Und drum singen sie auch mit, nicht nur wenn der Mann mit Bartstoppeln und Lederjacke röhrt: „Wenn dich einer fragt, wohin du gehst, sag: Nach Bologna!“