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Mehr Laubbäume, weniger Fichten - Um den Klimawandel einigermaßen unbeschadet zu überstehen, muss sich der Wald im Südwesten ein neues Gesicht zulegen.

Stuttgart - Mehr Laubbäume, weniger Fichten - Um den Klimawandel einigermaßen unbeschadet zu überstehen, muss sich der Wald im Südwesten ein neues Gesicht zulegen. Die verschiedenen Baumarten sollen in einem ausgeglichenen Verhältnis vorkommen, fordert Landwirtschaftsminister Peter Hauk.

Das Land der Fichten liegt im Schwarzwald. Wohin das Auge auch blickt - Fichten. Doch die Baumart könnte bald von der Bildfläche verschwinden. Noch fühlt sie sich wohl dort, bei kühlem und feuchtem Wetter. Doch die Zeiten ändern sich. Und mit ihnen das Klima. Trockene Sommer zum Beispiel machen den Fichten schwer zu schaffen. In der Rheinebene sind die Nadelbäume bereits auf dem Rückzug. Fachleute sprechen von einer regelrechten "Entfichtung". Und was sich dort abspielt, könnte bald auf das gesamte Land übergreifen.

Am gestrigen Dienstag stellte Hauk die Waldbilanz 2009 vor, und er sprach von einer "besorgniserregenden Entwicklung". "Wir haben eine hohe Belastung der Wälder und eine hohe Schädigung", sagte er. Schuld sei der Klimawandel. Und dieser Trend werde anhalten. Die Forstwirtschaft müsse sich darauf einstellen.

Höhere Temperaturen machen Bäumen zu schaffen

Wie sich die weltweite Klimaveränderung auf Baden-Württemberg auswirkt, das untersucht derzeit das Forschungsprojekt Kliwa (Klimaveränderung und Wasserwirtschaft), ins Leben gerufen von der Landesregierung. Demnach hat sich in den vergangenen Jahren auch im Südwesten die durchschnittliche Lufttemperatur erhöht, nach Berechungen der Forscher wird die Jahresmitteltemperatur in weiten Landesteilen bis ins Jahr 2050 um weitere 1,7 Grad Celsius nach oben gehen.

Eine der Folgen: Höhere Temperaturen im Winter könnten zu einer verringerten Schneespeicherung führen, das Wasser fließt schneller ab. Doch das sind nicht die einzigen Faktoren, die den Bäumen so zu schaffen machen. "Sommerlicher Trockenstress, ein verstärktes Auftreten von Schadinsekten sowie die Zunahme von Sturmereignissen setzen den Wäldern spürbar zu", sagte Ministerpräsident Günther Oettinger am Dienstag. Die Belastung durch Säure sei dagegen so gering wie seit 100 Jahren nicht mehr.

Die Buchen trifft es am härtesten

6641 Bäume im Südwesten haben die Forstexperten des Landes untersucht und die Ergebnisse in die Waldbilanz einfließen lassen. Die Fachleute haben sich angesehen, wie die Stämme aussahen, die Blätter beschaffen, die Baumkronen bewachsen waren und vieles mehr. Ein Drittel der Bäume waren jünger als 60 Jahre, der Rest älter.

Ergebnis: Die Buche ist die am stärksten geschädigte Baumart in Baden-Württemberg, gefolgt von Eiche, Kiefer, Tanne und Fichte. Verglichen mit dem Jahr 2008 stieg der Blattverlust bei der Buche um 9,6 Prozent. Auch das liege am sich verändernden Klima, sagte Hauk. Denn aufgrund höherer Temperaturen produziert die Buche verstärkt Bucheckern. Die Reservestoffe, die dafür verbraucht werden, fehlen aber für die Bildung von Blättern.

Die Umwelt- und Naturschutzverbände zeigten sich am Dienstag zufrieden, aber nur in einer Hinsicht: dass die Landesregierung den Klimawandel mittlerweile als große Gefahr für den Wald im Südwesten sehe. Doch damit hatte es sich auch schon an Lob. Die Politiker würden den schlechten Zustand des Waldes jedes Jahr nur gebetsmühlenartig wiederholen, aber nichts dagegen unternehmen, teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit. "Um dem Wald zu helfen, muss die Politik dringend zur nachhaltigen Forstwirtschaft zurückkehren", sagte die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender.

Das bedeute: Kahlschläge und Entwässerungen gehören verboten, Bäume müssten vorsichtig entnommen und altes und totes Holz im Wald belassen werden. "Nur eine nachhaltige und naturverträgliche Waldwirtschaft kann gesunde Wälder garantieren." Bisher bekämpfe das Land nur die Symptome, nicht aber die Ursachen der Waldschäden. Beim Naturschutzbund (Nabu) sieht man das Thema ähnlich.

"Nicht nur vom Waldumbau reden, sondern umsetzen" Dessen Landeschef Andre Baumann forderte eine sogenannte Naturverjüngung, dass sich Bäume also wieder mehr selbstständig vermehren könnten. "Wo der liebe Gott Förster ist, hat der Wald am ehesten die Chance, sich vielfältig zu entwickeln und stark zu werden", sagte er.

Zudem warnte er davor, sich mit fremdländischen Baumarten gegen die Klimaerwärmung wehren zu wollen, indem man zum Beispiel vermehrt Douglasien anbaue. Doch am wichtigsten sei es, dass die Wälder nicht weiter finanziell ausgebeutet würden. Nabu und BUND werfen dem Land vor, dass es zu viele Bäume fällt, um damit seine Kassen aufzufüllen.

"Nicht nur vom Waldumbau reden, sondern ihn endlich konsequent umsetzen", kritisierte Reinhold Pix von den Grünen. Und das würde seiner Meinung nach so aussehen: auf den Höhenlagen hauptsächlich Weißtannen pflanzen und die Jagd verbessern. Damit könne dann die Tanne vor Bissen durch Wildtiere geschützt werden.