Gute Manieren zahlen sich aus: Wer "bitte" sagt spart bares Geld Foto: Waldorfschule Kräherwald

Die Waldorfschule am Kräherwald in Stuttgart führt vor: Wer freundlich ist, der spart. Das etwas andere Preisschild ist zu einem Hit im Internet geworden.

Stuttgart - „Hey, lass mal so ein Ding rüberwachsen, aber dalli!“ Wenn man mit diesen Worten in der Waldorfschule am Kräherwald nach einer Pausenbrezel verlangt, geht der Preisindex schlagartig nach oben – sofort wird das Laugenvesper teurer.

Der neue Hausmeister an diesem Hort der anthroposophischen Bildung ist so frei, neuerdings seine Preise in den Schulpausen flexibel zu gestalten. Im sozialen Netzwerk Facebook wird darüber hitzig diskutiert. Laut Preisschild, dessen Foto im Internet eifrig geteilt wird, zahlt einen Euro, wer „Brezel!“ sagt. Dagegen kostet „eine Brezel bitte“ nur 70 Cent. „Wer lesen kann, ist im Vorteil“, heißt es dazu auf der Facebook-Seite der Schule.

In der 1919 von Rudolf Steiner in Stuttgart gegründeten Waldorfschule sollen die jungen Menschen miteinander, voneinander, füreinander lernen. Und zwar in einer, so dachte man bisher, aggressionsfreien Atmosphäre. Außenstehende spotten gern: Waldorfschüler – sind das nicht die, die keine Noten bekommen, dafür aber ihren Namen tanzen können?

Das Bewegungsalphabet der Eurythmie, der Gebärdensprache für Taubstumme nicht unähnlich, ist für Waldorfschüler das, was für Schwaben die Kehrwoche ist. Wer nicht dazugehört, zur Waldorfschule oder zu den Schwaben, macht sich am liebsten über getanzte Namen oder über Putzwut lustig. Waldorfschüler lernen schon früh, damit locker umzugehen.

Haben Sie gleichzeitig verlernt, freundlich zu sein? Was ist vorgefallen, dass Hausmeister Roger Pozner den Bitte-Bonus gewährt? Kennt man am Kräherwald die Höflichkeitsform nicht mehr?

„Es war nur ein Spaß“, sagt Pozner, ein gebürtige Saarländer, der erst vor wenigen Wochen seinen Dienst in Stuttgart angetreten hat. Sein Hobby ist die Zauberkunst. In seiner Freizeit tritt er als mittelalterlicher Magier Monsieur Roger auf und weiß also, worauf es bei Premieren ankommt. Man muss für Gesprächsstoff sorgen. Mit seinem Preisschild („Croissant! 1,50 Euro. Ein Croissant bitte 80 Cent“) ist ihm dies schneller als erwartet gelungen. Er hatte damit gerechnet, dass man in der Schule darüber redet. Aber nicht, dass sich sein nicht ganz ernst gemeinter Aushang im Internet so rasant mit heftigen Reaktionen verbreitet.

Die Urteile sind geteilt. „Es ist traurig“, ist einerseits in den Kommentaren bei Facebook zu lesen, „wir haben das Wort mit zwei t noch bei den Eltern gelernt – aber heutzutage kann man das selbst in der Waldorfschule nicht mehr.“

Und andererseits heißt es: „Spitze Aktion! Das sollte ich auch mal bei mir im Geschäft einführen!“ Wir bitten darum.

Das inzwischen berühmte Schild hängt in der Schule noch immer, auch wenn der Hausmeister versichert, bisher , „noch nicht ein einziges Mal“ den erhöhten Preis verlangt zu haben.

Hey, bitte, Monsieur Roger, lassen Sie es hängen! Waldorfschulen haben schon immer zum Nachdenken angeregt.

Richtig ist, dass dies einer Steiner-Schule erneut gelungen ist. Falsch dagegen ist, dass man gar nix bezahlt, wenn man für den Verkäufer die Brezel tanzt.