Vier Angeklagte haben sich vor dem Waiblinger Amtsgericht wegen Insolvenzverschleppung verantworten müssen. Foto: Pascal Thiel

Zwei Geschäftsführer einer Vertriebsgesellschaft für Kunststoffverarbeitung aus Schwaikheim sind vor dem Waiblinger Amtsgericht wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden. Hinter den Kulissen hat aber offenbar der heimliche Firmenchef agiert. Der 70-Jährige hat im Verlauf des Prozesses seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl zurückgezogen.

Waiblingen - Parkuhren für Saudi-Arabien, Telefonschalen für High-Tech-Konzerne, Zubehör für renommierte Automarken oder Kunstobjekte. Glaubt man den Ausführungen eines heute 70-jährigen technischen Betriebswirts, so hat seine Vertriebsgesellschaft für Kunststoffteile seit mehr als 35 Jahren von Schwaikheim aus an den unterschiedlichsten Dingen mitgewirkt. Vor knapp fünf Jahren allerdings hat die Firma, an welcher der heimliche Chef offiziell gar nicht mehr beteiligt war, mit einer Pleite ein unrühmliches Ende genommen.

Schon im Januar keine Miete mehr gezahlt

Jetzt haben sich der einstige Firmengründer sowie drei Geschäftsführer vor dem Waiblinger Amtsgericht wegen Insolvenzverschleppung und Vorenthalten von Arbeitsentgelts verantworten müssen. Schon im Januar habe die Firma keine Miete mehr zahlen können, von März an seien einbehaltene Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht mehr abgeführt worden, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Erst im Juli, Monate später, wurde ein Insolvenzantrag gestellt.

Alle vier Angeklagten hatten jeweils Einsprüche gegen die Strafbefehle des Gerichts erhoben. In der Verhandlung unter Vorsitz von Christel Dotzauer deutete sich am Montag nicht nur an, dass der wegen Beihilfe angeklagte 70-Jährige nach wie vor im Hintergrund die Strippen gezogen, sondern bei seinen undurchsichtigen Geschäften auch mehr oder weniger bewusst andere mit ins Verderben gezogen hatte. Die Firma stand offenbar schon vor 20 Jahren am Scheideweg. Er habe wegen einer „Finanzprüfung“ im Jahr eigentlich aufhören wollen, berichtete der Mann vor Gericht, doch dann habe er, unter anderem auf Anraten seiner Bank, das hoch belastete Betriebsgrundstück an seine damals 20-jährige Tochter übertragen, um den Weg für eine Neugründung frei zu machen.

Die heute 39-jährige Bürokauffrau war es dann auch, die 2008 pro forma zur Geschäftsführerin eingetragen wurde, weil ein zunächst als Betriebsleiter fungierender, heute 50-jähriger Diplomkaufmann seinen Aufstieg zum Geschäftsführer davon abhängig gemacht hatte, dass ihm zumindest auf dem Papier zwei weitere Verantwortliche zur Seite gestellt würden. Neben der Tochter wurde kurzerhand noch der heute 72-jährige frühere Entwicklungschef zum Geschäftsführer ernannt, der damals bereits seit zwei Jahren in den Ruhestand getreten war. Beide hatten, wie sie vor Gericht betonten, mit dem Tagesgeschäft nichts zu tun. Der Ex-Entwicklungschef, der sich auf 400-Euro-Basis ein kleines Zubrot zu seiner eher kargen Rente verdiente, war sich seiner Position gar nicht einmal bewusst.

Zu dieser Auffassung kam im Verlauf des Prozesses auch die Vorsitzende Richterin und stellte das Verfahren gegen ihn unter einer Geldauflage von 3000 Euro ein.

Geschäftsführer hätte früher reagieren müssen

Der 50-jährige „Hauptgeschäftsführer“ hingegen wurde verurteilt, das Gericht blieb mit 90 Tagessätzen allerdings um Einiges unter dem im Strafbefehl verfügten Maß, welches ihn als vorbestraft eingestuft hätte. Zwar sei er von dem heimlichen Firmenchef offenkundig nie über die tatsächliche finanzielle Schieflage des Unternehmens mit seinen zuletzt zwölf Mitarbeitern informiert worden, er hätte aber unverzüglich reagieren müssen – spätestens, als die Sozialleistungen nicht mehr abgeführt werden konnten. „Das ist wie bei einer Hausfrau: ab da, wo ich meine dringendsten Sachen nicht mehr zahlen kann, bin ich zahlungsunfähig“, so die Richterin.

Der 70-jährige ursprüngliche Firmengründer zog seinen Anspruch gegen den Strafbefehl auf ihr Anraten hin zurück. Sie habe den Eindruck gewonnen, so Christel Dotzauer, dass er die „Triebfeder der Ganzen“ gewesen sei. Er müsse zudem vor sich selbst verantworten, dass er seiner Tochter vor 20 Jahren einen Schuldenberg aufgebürdet habe, den sie wohl nie mehr zurückzahlen könne. Von einer Mitschuld an der Insolvenzverschleppung befreie das die 39-Jährige indes nicht. „Irgendwann wird man erwachsen und dann muss man zu seinem Vater sagen: mit deinem Geldkruscht will ich nichts zu tun haben.“ Es gehöre zu den Pflichten eines Geschäftsführers, nachzufragen, wo es klemmt. Auch die Tochter wurde zu 90 Tagessätzen verurteilt.