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Wahlprogramme werden in Expertensprache geschrieben und gleichen einer Doktorarbeit.

Stuttgart - Schlechte Noten für die FDP: Ihr Wahlprogramm ähnelt aus Sicht von Kommunikationswissenschaftlern einer Doktorarbeit. "Ein Wahlprogramm ist keine Nachtlektüre", verteidigen sich die Liberalen. Am verständlichsten ist dagegen die CDU, fanden Sozialwissenschaftler der Uni Stuttgart-Hohenheim heraus.

Wenn es um ihre eigene Arbeit geht, vertrauen die Forscher des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft der Uni Hohenheim nur auf modernste Technik. Mit der Software Text-Lab analysierten die Wissenschaftler die Wahlprogramme der Parteien im Südwesten. Zum Einsatz kam dabei der "Hohenheimer Verständlichkeitsindex". Damit lässt sich unter anderem herausfinden, wie häufig Satz-Ungetüme vorkommen, Fachbegriffe oder Fremdwörter. Auch Anglizismen, dem Englischen entlehnten Begriffen, waren die Forscher auf der Spur.

Was fiel auf? Bei der CDU waren es die "Nachhaltigkeitsbildung" und "Regelschullehrkräfte", die die Wissenschaftler stutzen ließen. Mit "Ressourcenproduktivität" und "Weiterbeteiligungsquote" schmückten die Liberalen ihr Wahlprogramm. Bei der Linken stolperten die Forscher über "Präventionskette" und "Landschaftspflegematerial". Die SPD tat sich mit dem "Konnexitätsprinzip" und "Wertschöpfungspotenzialen" hervor.

Zu den Anglizismen sagte der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider augenzwinkernd: ",Repowering' (Linke), ,Time-Sharing-Modelle' (SPD) und ,Contracting-Modelle' (CDU) sind nur zu verstehen, wenn man den Bürgern entsprechende ,Coachingangebote' (Grüne) oder gar ,Weiterbildungscoaching' (FDP) zur Verfügung stellt."

Die FDP formulierte am längsten: In ihrem Programm bestand ein durchschnittlicher Satz aus 16,4 Wörtern, der Rekordbandwurmsatz hatte 90 Wörter. Kürzer fasste sich hingegen die CDU mit einem Durchschnittswert von 12,5 Wörtern. Die Experten nahmen die Texte auch hinsichtlich der häufigsten Wörter unter die Lupe: Nicht verwunderlich ist der verbreitete Gebrauch von "Baden-Württemberg" und "Land" in allen Programmen. Häufig fanden sie auch "Menschen", wobei die Linken besonders oft "Frauen", die Grünen "Kinder" erwähnen. "Mehr" fordern vor allem SPD, FDP, Linke und Grüne. "Schulen" und "Hochschulen" kommen insbesondere bei der FDP vor. Der Index reicht von unverständlich (0) bis sehr verständlich (20). Dabei rangiert eine durchschnittliche politikwissenschaftliche Doktorarbeit bei 4,3. Das FDP-Wahlprogramm liegt mit 4,6 nur knapp darüber. Die CDU landete auf 11,2. "Das entspricht etwa dem Schwierigkeitsgrad eines Artikels im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", erläuterte Brettschneider. Die SPD kam auf 9,1, die Grünen erreichten 8,0. Grund für mangelnde Klarheit ist laut Brettschneider, dass die Wortwahl meist das Ergebnis von Expertenrunden sei.

"Wir müssen in unserem Programm komplexe Sachverhalte darstellen", sagte ein Sprecher der FDP als Grund für das schlechte Abschneiden bei der Wahlprogramm-Analyse. Die Liberalen hätten zudem ein Kurz-Wahlprogramm erstellt, das wesentlich einfacher zu lesen sei. "Die Politik lebt davon, dass die Menschen verstehen, was die Politik sagt", sagte CDU-Generalsekretär Thomas Strobl, "damit werden wir unserem Anspruch gerecht, auch die Partei der kleinen Leute zu sein."