Botschaft auf Karton: Die SPD setzt auf handgeschriebene Blickfänger. Foto: factum/Bach

Auf den Märkten im Strohgäu kocht der Wahlkampf am Wochenende auf Sparflamme. Um Kandidaten zu sehen, muss der Wähler nach Ludwigsburg.

Strohgäu - E ier und Salat – aber kein Bäcker, kein Metzger, kein Kandidat. Das Angebot auf den Wochenmärkten in Hemmingen und Münchingen ist dünn. In Ditzingen ist Wahlkampf: SPD und FDP stehen am Rand des Laien. Immerhin. Und in Gerlingen? Da gibt’s Lebensmittel und Blumen zuhauf – aber außer ein paar Plakaten keine politischen Informationen. Es liege an den Ferien, dass die Parteien nicht präsent sind, meinen Marktbesucher. Die gar nicht so traurig sind, dass sie nicht mit Werbung traktiert werden. Das Strohgäu ist kein Wahlkampfzentrum.

Heute sei „a bissle der Wurm drin“, meint der Marktaufseher am Freitag um 14 Uhr am Alten Schulplatz in Hemmingen: Es fehlen mehr Anbieter als da sind. Dass in drei Wochen Bundestagswahlen sind, merkt man kaum. Kein Politiker da, auch niemand von den örtlichen Parteien. Ein bisschen Wahlkampf gibt es dennoch: Plakate. SPD, CDU und dreimal MLPD. Ein schwarzweiß abgebildetes Model macht Werbung für Herrenparfüm. Irrtum. Das ist Christian Lindner, der Vorsitzende der FDP. Ein Plakat seiner örtlichen Kandidatin liegt hinter einem Zaun. Es nieselt. Hemminger Tristesse.

Kandidaten auf Plakaten präsent

Samstagfrüh auf dem Stiegelplatz in Münchingen: drei Stände mit Obst und Gemüse, Eiern und Geflügel, Käse. Auch die Zahl der Plakate ist überschaubar. Die Kandidatinnen von Grünen und FDP sind einzeln präsent, alle zusammen lächeln von einer versteckten Plakatwand. Auch hier: kein Kandidat, kein Stand. „Die Parteien könnten mehr machen“, meint ein Münchinger, „und die Kandidaten könnten sich sehen lassen.“ Ihr sei es egal, „ob sich hier jemand blicken lässt“, meint indes eine Kundin am Gemüsestand, „ich informiere mich mit Fernsehen und Rundfunk“. Ihre Ansicht würde sich nicht ändern, „wenn mir einer eine Rose schenkt“. Ihre Meinung bilde sich in vier Jahren, meint eine dritte Passantin, und nicht hier. Er vermisse die Parteien nicht, sagt ein Mann. Aber es gibt welche, die den Kontakt schätzen: Es sei etwas anderes, mit den Menschen zu reden als nur Plakate zu sehen, sagt eine Frau.

Weiter auf der Suche nach dem Wahlkampf. Ditzingen. Am Ortseingang grüßt der Kandidat der SPD und Lokalmatador Macit Karaahmetoglu. Drei oder vier Genossen, auch die Stadträtin Sabine Roth, schaffen am Rand des Laien Blickfänge mit handgeschriebenen Slogans auf Pappe. „Ein normaler Infostand interessiert nicht mehr“, meint der Ortsvereinsvorsitzende Jürgen Weingarte. Um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, brauche man Türöffner. Ein anderer Wahlkämpfer verwendet dazu die Klassiker Prospekt und Kugelschreiber. Der Stadtrat Horst Ludewig steht am Stand seiner Partei. „Nennen Sie mir Gründe, warum ich FDP wählen soll“, sagt ein junger Mann, der sich als Deutscher mit türkischem Hintergrund outet. Schnell ist man im Gespräch.

In der Kreisstadt tobt der Wahlkampf

Gerlingen. Kein Schirm, kein Stand, kein Kandidat auf dem Rathausplatz. „Ich komme nicht her, um zu diskutieren“, sagt eine Frau. Und ihre Bekannte meint, „ich würde mich nicht ansprechen lassen“. Aber noch ist niemand da, der das wollte. Nächsten Samstag, beim Straßenfest?

Woanders tobt der Straßenwahlkampf: in Ludwigsburg, gleich neben dem Marktplatz. Vier Schirme, ein Zelt – die CDU gibt sich platzhirschmäßig. Er wäre heute laut Terminplan auch noch in Gerlingen gewesen, meint der Abgeordnete und Kandidat Steffen Bilger. „Der Stand ist aber ausgefallen.“ So hat er Zeit für Leute, die geduldig warten. Rechnet er damit, dass ihm jemand das Direktmandat streitig macht? Bilger lächelt. „Ich kämpfe um jede Stimme.“ Am Sonntagabend ist er beim TV-Duell Merkel gegen Schulz in einer Ditzinger Kneipe. In Ludwigsburg sei man vier Samstage vor der Wahl präsent, sagt Klaus Herrmann, der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, anderswo sei das eher unüblich. Hier würden in einer Stunde mehr Leute vorbeikommen als in kleineren Orten den ganzen Tag. Stimmt: hier nimmt der Passantenstrom auch um 13 Uhr noch nicht ab.

Ingrid Hönlinger, die Kandidatin der Grünen, ist bis kurz vor Mittag präsent gewesen. Ihre Wahlkämpfer sind noch da. Die machen nicht nur Werbung für ihre Kandidatin, sondern auch für regionales Gemüse.

Wie ein Springinsfeld agiert der Mann aus Ditzingen: Macit Karaahmetoglu präsentiert sich gut gelaunt – obwohl es laut den Umfragen zurzeit selbst für Rot-Rot-Grün nicht reicht. „50 Prozent der Wähler haben sich noch nicht entschieden, da kann sich noch viel bewegen“, ist der SPD-Kandidat optimistisch. „Das bin ich“, sagt er und drückt einer vorübereilenden Frau einen Prospekt in die Hand. Und eine Rose.