Diese fünf Lebensmittel hat Foodwatch als Kandidaten für den „Goldenen Windbeutel 2017“ ausgewählt. Die Verbraucher entscheiden, wer den Preis für die dreisteste Werbelüge verdient hat. Foto: Foodwatch

2017 vergibt die Verbraucherorganisation Foodwatch den „Goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge zum siebten Mal. Aber sind die nominierten Lebensmittel wirklich so schlimm? Wir haben nachgefragt.

Stuttgart - Ein Kinderkeks und eine Ochsenschwanzsuppe sind auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Lebensmittel. Für die Verbraucherorganisation Foodwatch haben diese und drei weitere Produkte aber eins gemeinsam: Sie alle täuschen den Kunden. Deshalb stehen sie zur Wahl des „Goldenen Windbeutels“. Wer gewinnt, entscheiden die Konsumenten. Bis zum 26. November kann online abgestimmt werden. Professor Lutz Graeve, geschäftsführender Direktor des Instituts für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim, hat mit unserer Redaktion über die Produkte gesprochen.

Foodwatch kritisiert die Lebensmittel aus unterschiedlichen Gründen: Der Alete Kinderkeks besteht aus 25 Prozent Zucker, wird den Konsumenten aber als „babygerecht“ verkauft und sei „zum Knabbernlernen“ geeignet. Ein ähnliches Produkt nahm die Drogeriekette Rossmann auf Druck der Verbraucherorganisation vor kurzer Zeit aus dem Sortiment. Der Grund für die Kritik war derselbe: zu hoher Zuckergehalt. Ursprünglich sollte der Keks von Rossmann für die Wahl zum „Goldenen Windbeutel“ nominiert werden.

Lieber Apfel- oder Bananenchips

Der Proteindrink von Bauer ist laut Foodwatch zu teuer und enthält überflüssigen Proteinzusatz. „Selbst wer viermal die Woche joggen geht, braucht keinen Protein-Zusatz“, erklärt die Verbraucherorganisation auf ihrer Webseite. Die Kritik bei der Ochsenschwanzsuppe und beim Urlegenden Müsli von Kellogg’s fällt ähnlich aus: Die Ochsenschwanzsuppe enthält keinen Ochsenschwanz, das Urlegenden Müsli nur 2,5 Prozent „Urkorn“ (Quinoa). „3x mehr Omega-3 als Olivenöl“ – mit dieser Aussage bewirbt Unilever sein Becel Omega-3 Planzenöl. Dabei ist die Hauptzutat billiges Sonnenblumenöl, das viel zu teuer verkauft wird, kritisiert Foodwatch.

Für Professor Lutz Graeve sind die Kinderkekse von Alete ein „Unding“. Die extrem süßen Kekse fördern seiner Meinung nach die Kariesentwicklung, Kinder würden durch den Verzehr zum süßen Geschmack erzogen. Graeve hat selbst hat zwei erwachsene Kinder und wäre früher nie auf die Idee gekommen, solche Kekse zu kaufen. Das Problem: „Die Aussagen ‚babygerecht’ und ‚zum Knabbernlernen’ auf der Verpackung suggerieren den Eltern, dass sie die Kekse ihren Kindern problemlos geben können“, so der Wissenschaftler. Wenn es schon süß sein muss, empfiehlt Graeve getrocknete Früchte – „Apfel- oder Bananenchips zum Beispiel“.

Ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen

Zum Proteindrink von Bauer hat Graeve eine klare, aber weniger radikale Meinung: „Solche Getränke sind überflüssig, aber nicht schädlich.“ Die Annahme, dass Sportler mehr Proteine brauchen, sei in der Bodybuilder-Szene weit verbreitet. „Das kann bei Hochleistungssportlern sinnvoll sein, bei 0815-Sportlern ist das aber völlig unnötig“, stimmt der Wissenschaftler Foodwatch zu. Ernährungsberichte würden sogar zeigen, dass Männer wie Frauen weitaus mehr Proteine zu sich nehmen als sie brauchen.

Bei der Ochsenschwanzsuppe und dem Urlegenden Müsli ist laut Graeve der Gesetzgeber gefragt. „Das ist ganz einfach eine Kennzeichnungslüge. Hier muss der Gesetzgeber klare Regelungen schaffen“, sagt er. Das Problem beim Becel Omega-3 Pflanzenöl: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. „Olivenöl ist noch nie dafür bekannt gewesen, besonders viel Omega-3 zu enthalten. Der Vergleich ist also völlig unsinnig“, so der Wissenschaftler. Seine Meinung: „Hier wird ein Öl einfach künstlich teuer gemacht, wie das auch beim Proteindrink der Fall ist.“ Wer tatsächlich nach einem Omega-3-Lieferanten sucht, sollte sich für Leinöl, Rapsöl oder Walnussöl entscheiden, rät Graeve.

Der Professor hat einen klaren Favoriten für den Negativpreis: Für ihn ist der Kinderkeks aus ernährungswissenschaftlicher Sicht das schlechteste Produkt.