Schminken und Frisieren Seite an Seite: Der Arbeitstag der Kandidatinnen beginnt bereits lange vor der Wahl am Abend Foto: Bock

Am späten Samstagabend ist im Europapark in Rust Deutschlands schönste Frau gekürt worden. Die perfekte Show fürs Publikum ist hart erarbeitet. Ein Abend hinter der Bühne zwischen Lockenwicklern und großer Nervosität.

Rust - Ein großer Raum neben der Bühne. Spiegel reiht sich an Spiegel, Schminktisch an Schminktisch. Es ist 17 Uhr, noch sind es drei Stunden bis zum Beginn der Wahl zur Miss Germany 2016. Im Backstage-Bereich wuseln Kandidatinnen, Friseure, Mitarbeiter der Miss Germany Corporation (MGC) und Medienvertreter durcheinander. Hübsche junge Frauen mit Lockenwicklern in den Haaren stöckeln in Schuhen mit angsteinflößenden Absätzen durch den Raum. Miss Süddeutschland fällt ein bisschen aus der Reihe, denn sie trägt Schlappen. Der Abend wird schließlich noch lang genug.

Um 11 Uhr morgens hat der Tag mit der Generalprobe für die mehr als dreistündige Show begonnen. Um 14 Uhr geht es für die 24 jungen Frauen, die sich den Titel holen wollen, in die Garderobe. „Nägel machen, Frisur, Make-up, Styling“ nennt MGC-Sprecherin Simone Zimmermann das Programm für die folgenden sechs Stunden bis zum Beginn. Allein das Freiburger Friseur-Team ist mit 15 Leuten angereist. Rund 40 Menschen kümmern sich um die Frauen, die sich unter 5095 Kandidatinnen in 145 Vorwahlen durchgesetzt haben. Erst um Mitternacht wird später die neue Miss Germany Lena Bröder zur Pressekonferenz vor die Journalisten treten, danach folgt die After-Show-Party bis in den Morgen.

„Die Aufregung hält sich noch in Grenzen“, sagt um kurz vor 18 Uhr Miss Berlin Lisa-Maria Rothenberg. Dazu trage die gute Atmosphäre bei: „Die vergangenen Wochen mit den Mädels waren sehr angenehm“, erzählt die 25-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit fast einem Monat sind alle zusammen. Zehn Tage haben sie auf Fuerteventura Fotos gemacht, das richtige Gehen geübt, Zumba- und Fitnessworkshops absolviert. Irgendwelche Pölsterchen abzutrainieren gibt es jedenfalls nicht mehr, das ist bei allen deutlich zu sehen. Und seit einer guten Woche bereiten sie sich im badischen Rust auf den großen Abend im Europa-Park vor. Er ist bereits zum 14. Mal Gastgeber für die Wahl, die es seit 1927 gibt.

Gäste zahlen 160 Euro Eintritt

Auf der anderen Seite des großen Saals strömen derweil die 900 Gäste herein, die für Drei-Gänge-Menü, Showprogramm und Miss-Wahl 160 Euro Eintritt bezahlt haben. Manche Dame scheint ähnlich viel Zeit beim Styling verbracht zu haben wie die Kandidatinnen. Zur Einstimmung singt Johnny Logan seine größten Hits.

Hinter der Bühne wird geföhnt, gefeilt und aufgehübscht. „Sarah, wo ist der Lippenstift?“, ruft eine der jungen Frauen durch den Raum. Miss Rheinland-Pfalz Sarah Boss gibt den entscheidenden Hinweis – und erzählt dann, mit welchen Erwartungen sie ins Rennen geht. „Ich will natürlich und authentisch rüberkommen. Ich hoffe, dass ich in den wenigen Minuten, die ich habe, überzeugen kann“, sagt die 24 Jahre alte Studentin. Ihr sei ohnehin rätselhaft, wie die Jury ihre Entscheidung fälle: „Ich finde es wahnsinnig schwierig, in so kurzer Zeit mitzubekommen, wie jemand tatsächlich ist.“

Zickenterror? Mitnichten. „Die Mädchen pflegen einen sehr respektvollen Umgang miteinander“, sagt Ralf Klemmer zufrieden. Der MGC-Chef betrachtet entspannt die Szenerie – und bittet den Großteil der Leute dann um 18 Uhr hinaus. „Die Kandidatinnen müssen jetzt noch mal runterkommen und sich auf ihre Choreografie konzentrieren.“ Draußen im Saal beginnt das festliche Abendessen für die Gäste. Appetit holen für den Hauptgang des Abends. Moderator Alexander Mazza versucht, das Publikum heiß zu machen: „Wenn unsere Missen rauskommen, geben Sie Ihr Bestes! Standing Ovations! Reißen Sie sich die Kleider vom Leib!

Kurz vor Beginn steigt die Nervosität

Die Jury schreitet über den roten Teppich. Schauspieler, Sängerinnen, ein Schönheitschirurg. Es wird ernst. Die eigentlichen Hauptdarstellerinnen fiebern hinter der Bühne ihrem Auftritt entgegen. Jetzt ist die Nervosität voll da. Alle tragen kurze weiße Kleider für die erste Runde auf der Bühne, treten von einem Bein aufs andere. Die letzten Schritte werden besprochen, das Aussehen noch mal im Spiegel überprüft. „Wie viele Minuten noch?“, fragt eine. „Acht“, antwortet Klemmer. Lächeln fürs Gruppenfoto. „Hoffentlich klappt das draußen gleich auch so“, hofft eine der Kandidatinnen.

Es klappt. Die erste Runde, in der sich die Frauen kurz vorstellen, dauert nur ein paar Minuten. Die Kameras der 200 Journalisten klicken. Es folgt ein längeres Gespräch über die Vorzüge des Europa-Parks und der MGC-Sponsoren. Die Kandidatinnen haben hinten derweil Zeit, sich ins Abendkleid zu werfen. Danach müssen die Wechsel schneller gehen: Mit Schärpe, ohne Schärpe, im Badeanzug, wieder im weißen Kleid. Nach knapp zwei Stunden haben 16 der 24 das Gröbste hinter sich – die Jury hat sich auf acht Finalistinnen festgelegt.

Nach einer weiteren Stunde steht die Siegerin fest. Miss Westdeutschland Lena Bröder bekommt das Krönchen aufgesetzt. Die 26-Jährige hat schon in der ersten Runde für Aufsehen im Publikum gesorgt, weil sie als Lehrerin für Hauswirtschaft und katholische Religion arbeitet. Die Konkurrentinnen lächeln tapfer weiter – das Strahlen im Gesicht scheint nach dem langen Tag förmlich festgezurrt. Für die Siegerin folgen viele Preise, noch mehr Termine und ein außergewöhnliches Jahr als Deutschlands Repräsentantin. Für alle anderen bleibt immerhin die Chance, nach 13 Stunden durchzuatmen.