Ob Stahlunternehmen wie die Dillinger Hüttenwerke oder Autofirmen wie Ford: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer oben) versucht, dem Fachkräftemangel im Saarland entgegenzuwirken. Foto: dpa

Unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl – in einem sind sich CDU und SPD im Saarland einig: Der Wandel vom Kohle- und Stahlrevier zum modernen Industriestandort ist geglückt. Und beide Volksparteien wollen diesen Weg weitergehen.

Saarbrücken - Drei gute Nachrichten aus Wirtschaft und Forschung machten im Saarland Schlagzeilen – und das kurz vor der Landtagswahl. Das Kuriose an den Meldungen: Sie nutzten sowohl der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die auch das Amt der Wissenschaftsministerin innehat, als auch ihrer Stellvertreterin von der SPD: der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, Anke Rehlinger.

In den höchsten Tönen

So priesen beide in Reden und Pressemitteilungen die gleichen Dinge in den höchsten Töne. Zum einen hat der Autokonzern Ford angekündigt, in seinem Werk Saarlouis rund 600 Millionen Euro in neue Fertigungsanlagen für den Ford Focus zu investieren. Schon jetzt ist Ford mit 6500 Jobs der größte Arbeitgeber in dem mit einer Million Einwohner kleinsten Flächenstaat Deutschlands. „Mit großer Freude habe ich die Nachricht aufgenommen, dass sich Ford klar zum Standort Saarland bekennt“, teilte Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer mit.

Die zweite Nachricht betraf die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen Frankreich und Deutschland für die Einrichtung eines grenzüberschreitenden Testfeldes für autonomes Fahren in der Grenzstadt Merzig: „Unser Beharren hat sich am Ende gelohnt. Wir haben mit unserer Fachkompetenz gepunktet“, freute sich die SPD-Politikerin Anke Rehlinger.

Ein Meilenstein für den Strukturwandel

Bei der dritten positiven Entscheidung war wieder die Ministerpräsidentin am Zug: Bund und Land werden gemeinsam mit der Helmholtz-Gesellschaft ein Forschungszentrum für IT-Sicherheit in Saarbrücken gründen, es soll einmal bis zu 500 Forscher beschäftigen, und das bestehende CISPA an der Universität des Saarlandes – das Kürzel steht für „Center for IT-Security, Privacy and Accountability“ – soll darin aufgehen. „Diese Entscheidung ist ein Meilenstein für den Strukturwandel unseres Landes“, freute sich Kramp-Karrenbauer.

In der Tat ist der Strukturwandel mit dem Abschied vom jahrhundertealten Kohlebergbau an der Saar schon weit fortgeschritten. Im Juni 2012 stellte das letzte Steinkohlebergwerk im Saarland die Förderung ein – Schicht im Schacht. Heute halten noch 120 Mitarbeiter in den alten Kohlegruben das Grubenwasser mittels Pumpen fern. Seit 1960 sind im Saarland rund 80 000 Arbeitsplätze in den Steinkohlerevieren und den Stahlwerken sozial verträglich abgebaut worden. Aber die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs ist heute wieder auf Rekordhöhe, sie liegt bei 360 000. Die Arbeitslosigkeit beträgt 7,2 Prozent – ein Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. 52 000 Menschen pendeln täglich zur Arbeit ins Saarland, 28 000 pendeln aus dem Saarland in Nachbarländer wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Hervorragende Perspektiven

„Kaum ein Bundesland hat einen solchen gravierenden Strukturwandel so hervorragend gemeistert wie das Saarland. Mit seinen dynamischen Unternehmen bietet unser kleines Land gerade Neu-Saarländern hervorragende Lebens- und Karriereperspektiven“, wirbt Richard Weber, der Präsident der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes. Er weist darauf hin, dass auf der industriellen Basis eine Ansiedlung von Unternehmen erfolgt sei: Ford in Saarlouis, ZF in Saarbrücken, Fresenius in St. Wendel sowie Bosch und Michelin in Homburg. Mehr als 200 Industriebetriebe beschäftigten mehr als 116 000 Mitarbeiter. Allein in der Autoindustrie arbeiten 40 000 Saarländer – rund um die Ford-Werke haben sich Zulieferer angesiedelt, neben Bosch sind das Nemak, Schaeffler, Thyssen-Krupp, Michelin und ZF, die Motoren, Getriebe und Fahrwerke für den heimischen Markt und den Export fertigen.

Auch die Stahlindustrie ist nicht ganz verschwunden, in Dillingen faucht das Hüttenwerk noch, stößt in Abständen riesige Flammen aus den Schloten – wie zu alten Zeiten. Zwei große Stahlwerke sind übrig geblieben, die Dillinger Hüttenwerke – nach Ford der zweitgrößte Arbeitgeber im Land – sowie die Saarstahl AG. Sie haben sich spezialisiert auf hochwertige Qualitätsstähle – so sind beispielsweise Rumpf und Seitenteile des Kreuzfahrtschiffs Queen Mary II von einer Tochterfirma der Dillinger Hütte produziert worden. Auch im Shanghai World Financial Center und im Olympiastadion in Athen finden sich Stähle aus dem Saarland.

Der Standort braucht alle Talente

Offen diskutiert wird mittlerweile ein Fachkräftemangel – schon vor drei Jahren hat das Wirtschaftsministerium ein „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar“ gegründet, um mit einem Bündel von Maßnahmen dem entgegenzuwirken. „Unser Wirtschaftsstandort braucht alle Talente“, sagt die Wirtschaftsministerin Rehlinger. Der demografische Wandel mache es für kleine und mittlere Unternehmen immer schwieriger, Fachkräfte zu finden, stellte die IHK fest. Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer hat kürzlich beim Besuch eines „Hidden Champion“ – des Musikanlagenbauers Stamer Group in St. Wendel – öffentlich eingeräumt, dass es schwierig bis unmöglich sei, hochqualifizierte Leute aus Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Stuttgart ins Saarland zu locken. Der Ruf nach „Neu-Saarländern“ verhallt oft ungehört. Das Bundesland wird oft nur als die Region „an der Grenze“ wahrgenommen. Auf der anderen Seite kennen und lieben die Saarländer ihre Heimat und sind – sofern sie außerhalb des Landes studieren – auch zur Rückkehr bereit.

Forschung gewinnt an Bedeutung

Auch Lehre und Forschung gewinnen an Bedeutung. Neben der Universität Saarland gibt es drei weitere Hochschulen – für Technik, Kunst und Musik. Bedeutsamer werden die außeruniversitären Forschungseinrichtungen empfunden – etwa die Fraunhofer-Institute für Biomedizinische Technik beziehungsweise für Zerstörungsfreie Prüfverfahren oder das Leibniz-Institut für Neue Materialien. Auch das Forschungszentrum für IT-Sicherheit wird den „Innovationsstandort“ stärken. Typisch ist die Begründung, die Zentrumsgründer Michael Backes gab, warum er ins Saarland ging: „Es bietet das ideale Umfeld für ein solches Zentrum. Außerdem bin ich im Saarland geboren und aufgewachsen, und ich möchte meiner Heimat etwas zurückgeben.“