Ein Vermummter mit Brecheisen hat im Fluchtstollen des Wagenburgtunnels 10.000 Euro Schaden angerichtet. Insgesamt ... Foto: dpa

Mehr als 60 Strafanzeigen nach Protesten am Wagenburgtunnel.

Stuttgart - Wenn's im Wagenburgtunnel brennt, sollen Autofahrer sich in einen Fluchtstollen retten. Jetzt sind dort aber Sicherheitsanlagen zerstört worden, abseits der Proteste von Stuttgart-21-Gegnern gegen die Baumfällung vor der Röhre. Der Täter ließ sich fotografieren.

Dem Widerstand gegen die Baumfällaktion für das Bahnprojekt Stuttgart21 vor dem Wagenburgtunnel folgt nun eine Flut von Strafanzeigen - mindestens 65 sind es laut Polizei am Montag. 36 Protestierern, die aus dem abgesperrten Bereich vor der sogenannten Röhre am Gebhard-Müller-Platz weggebracht wurden, wird Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Weitere 28 Strafanzeigen gibt es wegen Widerstand, Beleidigung, Verdacht auf Nötigung und Hausfriedensbruch. Bei der ungewöhnlichsten der Straftaten gab es zwar sechs vorläufige Festnahmen - aber keinen Tatverdächtigen.

Die Polizei sucht einen Unbekannten, der am Samstag im Fluchtstollen des Wagenburgtunnels ein halbes Dutzend Kameras zerstörte. Der Täter war maskiert und mit einem Brecheisen bewaffnet. Nach Angaben des Tiefbauamts hat er bei seiner Aktion 10000 Euro Schaden angerichtet. Dabei hat der Stollen gar nichts mit der Bahn zu tun.

Eine Inszenierung, um Stuttgart-21-Gegner in Verruf zu bringen?

Das Bild wirkt wie gestellt. Ein Maskierter holt in einem Fluchttunnel mit einem Brecheisen aus, zielt auf eine Überwachungskamera. Stuttgart-21-Gegner können nicht glauben, was sie da sehen: "Ein Archivfoto ohne Bezug", wiegelt einer in einschlägigen Foren im Internet ab. "Das war nicht von Samstag Nacht", ein anderer. "Habe gesehen, wie dieser Vermummte Fotografen einlud", so eine andere Stimme.

Eine Inszenierung, um Stuttgart-21-Gegner in Verruf zu bringen? Keineswegs, sagt die Agentur-Fotografin Franziska Kraufmann. Sie war zusammen mit einem Fernsehteam des SWR darauf aufmerksam geworden, dass zahlreiche Personen in einem Nebenstollen des Wagenburgtunnels aus und ein gingen. Sie folgte den Protestierenden durch die Fluchttüren - und entdeckte die erste herunterhängende Überwachungskamera. Kurz darauf stießen Fotografin und Kameramann auf einen Vermummten. Das soll kurz nach 21 Uhr gewesen sein.

"Er wirkte sehr selbstsicher", sagt Franziska Kraufmann, "und hatte nichts dagegen, dass er während der Taten fotografiert wurde." Schal und Kapuze machten sein Gesicht unkenntlich. Er trug Motorrad- oder Mountainbike-Handschuhe der Marke "Axo Sport". So zog er durch den Stollen, um die Kameras herunterzuschlagen.

Schaden von 10 000 Euro

Die Polizei bekam zunächst nichts davon mit - griff dann aber zu. Festgenommen wurden vier männliche und zwei weibliche Verdächtige im Alter von 15 bis 24 Jahren, die sich im Fluchtstollen aufgehalten hatten. Ob sie etwas mit dem Maskierten zu tun haben, ist unklar. "Wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen", sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Ist der Brecheisen-Täter unter den sechs Verdächtigen? Oder ist er womöglich bereits über alle Berg? Die Ermittler konnten jedenfalls weder das Brecheisen sicherstellen noch eine Person dingfest machen, die solche Kleidung wie auf dem Foto trug.

Bei den Kameras handelt es sich jedenfalls um keine Überwachung im Dauerbetrieb. Anders als die Videoüberwachung am Hauptbahnhof "werden die Kameras nur bei einem Störfall aktiviert", sagt Wolfgang Schanz, Leiter des Tiefbauamts. Die Bilder, die bei einem Brand im Autotunnel die Lage auf den Fluchtwegen übertragen sollen, landen zunächst in der sogenannten Tunnel-Zentrale des Tiefbauamts. Zudem hätten aber auch die Polizei und die Feuerwehr Zugriff auf die Live-Bilder.

Laut Schanz sind sechs Kameras beschädigt worden. "Die müssen in den nächsten Tagen repariert werden", sagt er. Den Schaden beziffert er auf 10 000 Euro. Die Beschädigungen seien noch Samstagnacht festgestellt worden, "unsere Mitarbeiter sind aus Sicherheitsgründen dann aber nicht ausgerückt", sagt Schanz.