Sophie Wende, Clemens Horn und Richard Boell (von links) machen sich Gedanken um ihre Zukunft Foto: Peter Petsch

Am 25. Mai können erstmals Jugendliche bereits mit 16 den Gemeinderat wählen. Viele wissen aber gar nicht, dass sie schon wählen dürfen. Ein Stimmungsbild an zwei Stuttgarter Schulen.

Stuttgart - Cornelius Carl ist politisch engagiert. Für den 17-Jährigen hat vor kurzem die zweite Amtszeit als Jugendrat begonnen. „Wir haben schon ziemlich viel auf die Beine gestellt“, sagt der Abiturient des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums in Stuttgart. Clemens Horn wurde ebenfalls wieder in den Jugendrat gewählt. „Wir haben einen Spielplatz neu gestaltet“, sagt er. Zurzeit machen sich die beiden für eine Busverbindung vom Killesberg nach Botnang stark. Obwohl Cornelius Carl politisch aktiv ist, fühlt er sich teilweise noch zu wenig informiert. Das Verfahren bei der Kommunalwahl ist kompliziert. Dass das Land eine Kampagne „Wählen ab 16“ startet, sieht er als gute Sache an.

Vor einem Jahr hat der Landtag das neue Gesetz verabschiedet. Nun dürfen Jugendliche schon ab 16 bei Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Im vergangenen Jahr fanden vielerorts Bürgermeisterwahlen statt – Jugendliche zeigten dabei nur geringes Interesse. Dennoch findet Gemeinschaftskundelehrer Andreas Böhringer: „16-Jährige gehen mit mehr Verantwortung zur Wahl als Ältere.“

Nach oben ist beim Wahlalter auch keine Grenze gesetzt

Er unterrichtet die Kursstufe zwei am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. In der Regel werde Kommunalpolitik in der achten oder neunten Klasse behandelt. Mit dem neuen Wahlrecht könnten Jugendliche das Gelernte direkt anwenden, meint Böhringer. Daher sei es durchaus positiv, wenn man den Jugendlichen mehr Verantwortung gebe. Die Wählerschaft werde schließlich immer älter.

So sieht es auch Lena Motschenbacher: „Ich finde es gut, dass 16-Jährige bei Kommunalwahlen wählen dürfen. Von der Schule her wissen wir sicherlich mehr als mancher Erwachsene.“ Immerhin sei dem Alter nach oben keine Grenze gesetzt. Selbst alte Menschen, die nur noch eine eingeschränkte Wahrnehmung hätten, dürften wählen. Da sei es doch sicherlich besser, wenn auch ganz junge Menschen ihre Stimme abgeben dürften, argumentiert die Schülerin.

Bislang gilt für Jugendliche ab 16 das aktive Wahlrecht, was bedeutet, dass sie zwar den Kandidaten ihre Stimme geben, aber selbst nicht für ein Amt kandidieren dürfen. „Mit dem Abi habe ich gerade genug zu tun“, sagt Stefan Maurer (16). Demnächst stehen die schriftlichen Prüfungen an. Und mit einer Kandidatur legt man sich für fünf Jahre fest. Vielleicht will man nach dem Abitur in eine andere Stadt zum Studieren. Oder ins Ausland. Daher findet er es nicht schlimm, dass Jugendliche „nur wählen“ dürften. Für den Fall, dass das passive Wahlrecht einmal für Jugendliche gelte, würde er auch einen 16-Jährigen wählen – sofern dieser „sympathisch und glaubhaft“ wirke.

Bei der Frage, ob sie auch bei der Bundestagswahl wählen wollen, sind sich die Schüler des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums uneinig. „Es gibt sicherlich manche, die das nicht ernsthaft sehen“, sagt Lena Motschenbacher. Wahrscheinlich hängt das politische Interesse auch mit der Bildung zusammen, sind sich die Schüler einig.

Interesse hängt von Bildung ab

Ähnlich sehen es die Schülerinnen der zehnten Klasse am Stuttgarter Sankt-Agnes-Gymnasium. „Manche Schüler machen sich mehr Gedanken als andere – das hängt wahrscheinlich vom Schultyp ab“, sagt Jule Fischer. Was Kommunalpolitik betrifft, fühlen sich die Jugendlichen nicht ausreichend informiert. Einige Schüler haben bisher noch gar nicht mitbekommen, dass das Wahlalter von 18 auf 16 herabgesetzt wurde. Gerade in Hinblick auf die anstehende Wahl wünschen sie sich, dass sie als neue Zielgruppe wahrgenommen werden. Ein weiterer Wunsch: Politiker könnten an Schulen kommen und ihre Ziele vorstellen.

Nicht alle Schüler fühlen sich reif genug für eine Wahl. „Mit 18 hat man sicherlich mehr Erfahrungen gesammelt“, sagen Janine Schlosser, Esther Heitkamp und Vanessa Hildenbrand. Einig sind sie sich darin, dass sie sich nicht an der Bundestagswahl beteiligen wollen. „Mit 18 ist es früh genug“, sagt Theresa Moosmann. „Nur manche Themen betreffen uns Jugendliche“, sagt die 15-jährige Antonia Qujitsch.

Andere wiederum freuen sich auf den Gang ins Wahllokal. „Der Gedanke ist zwar ungewohnt, aber gut“, sagt Katharina Mack (15). Die 16-jährige Ann-Karolin Krause glaubt, dass dadurch „neuer Pep“ in den Gemeinderat kommt. Denn Gemeinderäte passen sich wohl den Interessen von jungen Leuten an, glaubt sie.

So manche Schülerin würden sich gern lokalpolitisch engagieren. „Wobei die Gefahr besteht, dass man als 16-Jährige nicht ernst genommen wird“, befürchtet Josephine Lang (15). Eine frühe Beteiligung an der Kommunalpolitik erachtet auch Schulleiterin Marietta Steidle-Rieger als sinnvoll: „Schüler sind besser informiert als viele Erwachsene.“