Die Gutachter warnen: Der weltweite Trend zur Abschottung schadet den Exporten. Foto: dpa

Trotz Zuwanderung von Flüchtlingen wird die Zahl der Arbeitslosen kaum steigen. Das sagen die Forschungsinstitute im Herbstgutachten voraus.

Berlin - Die führenden Forschungsinstitute erwarten ein Konjunktur mit leichten Auf- und Abschlägen. Sie bezeichneten dies als „Kaugummi“-Konjunktur. Im dritten Jahr des Aufschwungs sei die Wirtschaft zwar weiterhin aufwärts gerichtet, aber es handele sich um eine moderate Entwicklung. Im kommenden Jahr wird sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Prognose auf 1,4 Prozent abschwächen. Grund dafür ist auch ein statistischer Effekt, denn es gibt im nächsten Jahr weniger Arbeitstage. Dies „kostet“ 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum. In diesem Jahr wird ein Wachstum von 1,9 Prozent erwartet. Als eines der großen Risiken sehen die Ökonomen die Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszusteigen. Den weltweiten Trend zur Abschottung betrachten die Forschungsinstitute mit Sorge. Die Politik müsse dem Protektionismus entschieden entgegentreten, sagten die Ökonomen. Deutschland sei als großes Exportland auf offene Märkte angewiesen.

Der Konsum treibt das Wachstum

Wichtigste Stütze der Konjunktur ist die starke Nachfrage der Verbraucher. „Es ist der Konsum, der das Wachstum in Deutschland treibt“, sagte Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Steigende Löhne, niedrige Inflationsraten und Nullzinsen belebten den privaten Verbrauch. Als weiterer Pfeiler der Binnenkonjunktur erwiesen sich die gestiegenen Ausgaben der öffentlichen Hand für die Flüchtlingshilfe.

Diese Faktoren führten dazu, dass im laufenden Jahr das Wirtschaftswachstum höher ausfällt, als dies die Institute im Frühjahr vorhergesagt haben. Dennoch gibt es auch Schatten. Die Industrie leiste im Vergleich zu früheren Erholungsphasen nur einen unterdurchschnittlichen Beitrag. Trotz der Niedrigzinsen verlaufe die Investitionstätigkeit im Inland enttäuschend. Nach der Analyse der Volkswirte investierten die Unternehmen ihre Mittel nicht im Inland, sondern im Ausland. Die schwache Investitionsnachfrage könnte sich aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) als Achillesferse der Konjunktur erweisen. „Die geringen Investitionen bereiten uns Sorge“, sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Zurzeit trügen vor allem niedrige Ölpreise und Zinsen zur guten Lage bei. Das gehe aber nicht so weiter, weil der Ölpreis in nächster Zeit steigen dürfte, meinte Wansleben.

Lockere Geldpolitik bleibt unverändert

Die Forschungsinstitute erwarten, dass die Inflationsrate wieder steigen wird, weil die preisdämpfenden Wirkungen durch niedrige Ölpreise abnehmen. Im nächsten Jahr rechnen die Wissenschaftler mit einer Inflationsrate von 1,4 (2016: 0,4) Prozent. Sie erwarten dennoch, dass die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank unverändert bleibt.

Ein ausgesprochen positives Bild malen die Konjunkturforscher vom Arbeitsmarkt. Entgegen Befürchtungen in der Bundesregierung, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen zu steigenden Arbeitslosenzahlen führt, geben die Wissenschaftler Entwarnung. Sie nehmen an, dass die Arbeitslosenquote bis übernächstes Jahr mit 6,1 Prozent stabil bleibt. Die Zahl der Arbeitslosen werde 2017 mit knapp 2,7 Millionen Erwerbslosen nur geringfügig steigen. Grund dafür ist, dass die deutsche Wirtschaft in großem Stil neues Personal einstellt. In diesem Jahr wachse die Zahl der Erwerbstätigen um 500 000. Auch für 2017 erwarten die Forscher noch eine Zunahme von 430 000. In erster Linie handele es sich um Zuwanderer aus der EU, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt unterkämen.

Die größten Gefahren sehen die Forscher im außenwirtschaftlichen Umfeld. Das weltweite Wachstum sei schwach. Vielerorts gebe es Stimmen, welche die Integration der Weltwirtschaft infrage stellten. Es sei nicht auszuschließen, dass der drohende Brexitzu einer längeren Phase der Investitionszurückhaltung führe.