7400 Mitarbeiter sind im Werk in Stuttgart-Feuerbach mit dem Diesel beschäftigt. Auf dem Bild prüft eine Mitarbeiterin Dichtscheiben für Magnetventile, die in der Dieseltechnologie eingesetzt werden. Foto: dpa

Der VW-Abgasskandal und die Debatte um Feinstaub bereiten dem Stuttgarter Autozulieferer zunehmend Probleme. Zuletzt ist auch noch der Marktanteil von Diesel-Pkw leicht gesunken. Für den Stuttgarter Standort Feuerbach hat das Konsequenzen.

Stuttgart - Seit Monaten sorgen Diesel-Pkw für negative Schlagzeilen. Nicht nur der VW-Abgasskandal, sondern auch die Debatte um Feinstaub-Belastungen kratzen am Image des Selbstzünders. Nun scheint es erstmals konkrete Auswirkungen auf die Beschäftigung zu geben. Wegen der verhaltenen Nachfrage wurden in Stuttgart-Feuerbach im Laufe des Jahres 60 befristete Verträge nicht verlängert, bestätigt eine Bosch-Sprecherin.

Nach Informationen unserer Zeitung könnte die Zahl sogar noch steigen. Derzeit haben noch rund 260 Beschäftigte einen zeitlich befristeten Vertrag. „Wir machen diese Entwicklung am Rückgang der Nachfrage nach Dieselpumpen fest“, sagt ein Insider. Auch im Diesel-Werk im saarländischen Homburg, von wo aus vor allem die beiden Autokonzerne VW und PSA (Frankreich) beliefert werden, sind in den vergangenen Monaten 150 von 180 zeitlich befristeten Verträgen ausgelaufen, so die Bosch-Sprecherin. „Generell werden befristete Arbeitsverträge genutzt, um Auftragsschwankungen abzubilden“, sagte die Sprecherin. „Aktuell zeichnet sich eine rückläufige Auftragslage ab“, begründete sie die Entscheidung.

15 000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen sich mit dem Dieselantrieb

Stuttgart-Feuerbach und Homburg beheimaten zwei der großen Diesel-Standorte des Konzerns. In dem Stuttgarter Stadtbezirk Feuerbach sind 7400 der insgesamt 12 000 Beschäftigten im Bereich Diesel tätig. Ein Großteil davon – rund 2800 – sind in der Entwicklung des Selbstzünders. In dem Werk werden vor allem Dieselpumpen gefertigt. In dem Homburger Werk mit 3000 Mitarbeitern werden Einspritzdüsen hergestellt. Das dritte große Werk steht im oberfränkischen Bamberg – dort beschäftigen sich 3000 der 7000 Mitarbeiter mit dem Diesel. Insgesamt hängen damit 15 000 Bosch-Mitarbeiter in Deutschland an dieser Antriebstechnik, weltweit sind es 50 000. Der Diesel hat damit für den Stuttgarter Konzern eine deutlich höhere Bedeutung als benzinbetriebene Fahrzeuge; in diesen beiden Technologien beschäftigt der Zulieferer zusammen weltweit 80 000 Mitarbeiter.

Kein Wunder also, dass der VW-Abgasskandal, der in den USA aufgedeckt wurde, auch die Stuttgarter sehr beunruhigt. VW gehört zu den ganz großen Kunden von Bosch. Der weltgrößte Zulieferer soll maßgeblich in den Skandal um manipulierte Software verstrickt sein. Bosch-Ingenieure waren an der Entwicklung der Programme beteiligt, mit denen die Motorsteuerung der Diesel-Pkw so manipuliert wurde, dass nur auf dem Prüfstand die Stickoxid-Grenzwerte eingehalten wurden, nicht aber im Straßenverkehr. VW hat sich inzwischen mit den US-Klägern – Fahrzugbesitzer, Autohändler, aber auch US-Behörden und Generalstaatsanwälte – auf einen Vergleich von umgerechnet bis zu 13,5 Milliarden Euro geeinigt.

Bosch arbeitet an der Klageerwiderung

Bosch ist Beklagter im gleichen Verfahren, hat sich bisher aber nicht zu den teils massiven Vorwürfen, die in der mehr als 700 Seiten langen Anklageschrift formuliert sind, geäußert. „Wir arbeiten derzeit an der Klageerwiderung. Das wird noch einige Zeit dauern, eine feste Frist zur Einreichung bei Gericht gibt es nicht“, teilte Bosch lediglich mit. Der Konzern nehme die Vorwürfe der Manipulation von Diesel-Software sehr ernst. Und weiter: „Bis dahin äußern wir uns nicht zu laufenden Untersuchungen und Gerichtsverfahren“. Volkmar Denner, der Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung, äußert sich nicht gegenüber der Öffentlichkeit; auch die Mitarbeiter bleiben weitgehend im Unklaren. Vor kurzem hat das Unternehmen intern lediglich eine kurze Mitteilung verschickt, die dieser Zeitung vorliegt.

Darin war zu lesen: „In einer Klageschrift stellen die Kläger ihre Sicht der Dinge dar. Damit ist noch nichts über die Richtigkeit oder Stichhaltigkeit der Vorwürfe gesagt. Darüber befindet ein zuständiges Gericht. Wie bereits mitgeteilt, wird sich Bosch weiter gegen die Klage verteidigen“. Einige Zeilen später ist in der Mitteilung zu lesen: „Auch in nächster Zeit wird es weitere Berichte geben, die die Rolle von Bosch unterschiedlich beleuchten werden.“ Wünschenswerte Erläuterungen vor allem zu diesem letzten Satz fehlen. Kein Wunder also, dass die Mitarbeiter nicht zuletzt an den Diesel-Standorten zunehmend verunsichert reagieren, so ist zu hören. Sie wollen eine konkrete Ansage des Konzerns – auch über die Zukunft des Standorts.

Beschäftigte im Saarland besorgt

Besorgt sind die Beschäftigten nicht zuletzt an den Standorten im Saarland. Vor rund einem Jahr hat Bosch das Aus für das Werk in Neunkirchen unweit von Homburg bekannt gegeben. In dem Werk mit 200 Beschäftigten werden Systeme zur Abgasreinigung von Schiffen, Bau- und Landmaschinen hergestellt. Doch der Vertrag mit einem großen Kunden läuft Ende nächsten Jahres aus, dann sollen die Lichter ausgehen. In dieser Wochen haben rund 3500 Beschäftigte während einer Protestveranstaltung ihre Ängste und Sorgen zum Ausdruck gebracht. Auch bei der Industrietochter Bosch Rexroth im Nahe gelegenen Homburg sollen früheren Angaben zufolge bis Ende 2018 rund 160 Stellen dem Rotstift zum Opfer fallen. Bosch selbst hält eine Panikmache für unbegründet – und verweist auf einen dreistelligen Millionenbetrag, der in diesem und dem nächsten Jahr im Saarland investiert werde.

Doch wie wird der Konzern reagieren, sollte der Diesel in der Beliebtheitsskala der Kunden sinken? Aus den deutschen Zulassungszahlen vom Juli geht hervor, dass der Diesel bereits einen Prozentpunkt Marktanteil abgegeben hat. Kurzfristig sind kaum stärkere Auswirkungen zu erwarten. Mittel- bis langfristig schließen Experten ein Imageproblem des Diesel aber nicht aus. „Verbraucher reagieren nicht schnell, aber wenn, dann ist es nachhaltig“, sagt ein Experte. Rund 70 Prozent der großen Premiumfahrzeuge und eine deutlich Anzahl kleinerer Fahrzeuge fahren hierzulande derzeit mit Diesel.