Wegen Streiks sind in den vergangenen Monaten viele Züge ausgefallen Foto: dpa

Mit einem Gesetz will die Bundesregierung verhindern, dass durch die Tarifkämpfe von kleinen Spartengewerkschaften den Verkehr massiv blockieren. Kleinere Gewerkschaften sehen das Streikrecht aber in Gefahr und kündigten Widerstand an.

Berlin - Dem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zur Tarifeinheit ist Aufmerksamkeit sicher. Allein deswegen, weil das Gesetz diskutiert wird, in der zwei kleine Gewerkschaften den Luft- und Schienenverkehr immer wieder massiv behindern. Die Rede ist von den Streiks der Pilotengewerkschaft Cockpit und der Lokführergewerkschaft GDL.

Dabei wird das Gesetz auf die laufenden Streiks keinen Einfluss mehr nehmen, weil es noch Monate dauern wird, bis es in Kraft tritt. Bis dahin sind die Streiks hoffentlich beendet. Den Pilotenstreik hätte das Gesetz auch nicht verhindert, den Lokführerstreik womöglich. Aber dazu später.

Das Gesetz soll klar stellen, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag für eine bestimmte Berufsgruppe gelten darf. Wenn zwei Gewerkschaften miteinander streiten, eine Berufsgruppe in Tarifverhandlungen zu vertreten, soll diejenige Gewerkschaft zum Zuge kommen, die am meisten Mitglieder hat. Im Fachjargon heißt es: Im Fall der Kollision gilt das Mehrheitsprinzip.

Dies ist der Kern des umstrittenen Gesetzes. Der Zeitplan sieht vor, dass das Gesetz am 3. November vom Bundeskabinett beschlossen wird, dann das parlamentarische Verfahren durchläuft und vermutlich Mitte nächstens Jahres in Kraft tritt.

Für ein Gesetz zur Tarifeinheit hatten sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer als auch DGB-Chef Reiner Hoffmann stark gemacht. Die Arbeitgeber zeigten sich zufrieden mit den Plänen der Regierung. Kramer sagte: „Es geht nicht, dass für die gleichen Arbeitnehmer eines Betriebes zwei verschiedene Tarifverträge gelten.“ Der DGB schwieg. Von anderer Gewerkschaftsseite kam heftige Kritik. Für den Beamtenbund – das ist die Dachorganisation der Lokführergewerkschaft GDL, meldete sich dessen Vorsitzender Klaus Dauderstedt zu Wort. Dauderstedt wirft Nahles vor, das Streikrecht einzuschränken. Er bezichtigt Nahles namentlich der politischen Feigheit: „Wenn man die wahren Absichten, Streikrechte zu begrenzen und Organisationsfreiheit aller Berufe zugunsten von Einheitsgewerkschaften einzuengen, hinter Formalitätsregelungen verbirgt, zeugt das von politischer Feigheit.“

Der Gesetzentwurf sieht eine Einschränkung des Streikrechts wohl nicht vor. Das Streikrecht wird nicht einmal erwähnt. Die Arbeitgeber hätten wohl gern eine Passage gesehen, die festhielte, dass während der Gültigkeit eines Tarifvertrages Friedenspflicht gelte und keine Gewerkschaft ihre Mitglieder zum Streik rufen dürfe.

Falls all dies so Gesetzeskraft erlangt, dürfte das Gesetz aber dennoch Auswirkung auf die Streikpraxis haben. Sollte eine Gewerkschaft wie etwa die GDL streiken, die nicht die Mehrheit im Betrieb hat, dürfte das betroffene Unternehmen vor das Arbeitsgericht ziehen und den Ausstand überprüfen lassen. Die Chancen, dass ein derartiger Streik dann verboten würde, stehen gut.

Und warum hätte das Gesetz zur Tarifeinheit den Streik der Piloten nun nicht verhindert? Antwort: Weil unumstritten ist, dass die Berufsgewerkschaft Cockpit als Tarifpartner der Piloten in die Verhandlungen mit den Arbeitgebern zieht. Bei der Bahn sieht es anders aus: Hier konnten sich die große Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die für rund 140 000 DB-Mitarbeiter verhandelt, sowie die Lokführergewerkschaft GDL, die für 20 000 DB-Lokführer verhandelt, nicht darauf einigen, wer die Verhandlungen führt.

Streit dürfte es aber auch in der Zukunft geben. So ist etwa nicht klar, was vor dem Gesetz als Betrieb gilt. Die Bahn besteht juristisch aus Hunderten von Betrieben. Muss dort nun in jedem einzelnen Betrieb im Streitfall gezählt werden, welche Gewerkschaft die Mehrheit hat? Oder gilt in diesem Fall das ganze Unternehmen als Betrieb? Unklar ist zudem, wie bei Streitfällen die Mitglieder der Gewerkschaften gezählt werden. Rechtlich kann kein Gewerkschaftsmitglied gezwungen werden, seine Mitgliedschaft offen zu legen.