Öffentliche Aufträge dürfen nur Firmen erhalten, die Tarif- oder Mindestlohn bezahlen. Foto: dpa

Der Arbeitgeberpräsident begrüßt die geplante Einrichtung einer „Bürokratiepolizei“ und macht dazu gleich einen Vorschlag: Das Landestariftreuegesetz soll fallen.

Stuttgart - Baden-Württembergs Arbeitgeber drängen die Landesregierung zu mehr Tempo beim Bürokratieabbau und machen dazu konkrete Vorschläge. „Auch wenn der Großteil der Bürokratiebelastung aus Berlin und Brüssel kommt, braucht unsere Wirtschaft ebenso auf Landesebene dringend eine Entlastung von unnötiger Bürokratie“, sagte Landesarbeitgeberpräsident Rainer Dulger unserer Zeitung und forderte die Einrichtung eines sogenannten Normenkontrollrats nach dem Vorbild des Bundes. Die grün-schwarze Koalition hat eine solche „Bürokratie-Polizei“ zwar vereinbart, kann sich aber nicht über die Details einigen. Auch die geplanten Kosten von einer Million Euro jährlich sind umstritten.

„Ein erster Beitrag zu weniger Bürokratie wäre es, das völlig überflüssige Landestariftreue- und Mindestlohngesetz abzuschaffen“, so Dulger. Darin verpflichtet das Land seit 2013 öffentliche Auftraggeber, Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich tariftreu verhalten und 8,50 Euro Mindestlohn bezahlen. Da zwischenzeitlich aber bundeseinheitliche Vorgaben in diesem Bereich gelten, gehöre das Landesgesetz komplett abgeschafft, fordern die Arbeitgeber. „Für ein öffentliches Eingeständnis, dass das gesamte Gesetz überflüssig geworden ist, fehlt aber offenbar der Mut“, so der Arbeitgeberpräsident.

Dulger: „Politische Posse“

Dulger spricht damit die Absicht der Landesregierung an, das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz nur in einem Detail abzuändern. Wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, der auf dem Beteiligungsportal des Landes online einzusehen ist, sollen damit lediglich die unterschiedlichen Mindestlohnvorgaben zwischen Land und Bund harmonisiert werden. Die Wirtschaft beklagt jedoch auch wegen anderer Vorgaben des Landesgesetzes eine „massive Bürokratiebelastung“. So müssten bei Bewerbungen für öffentliche Aufträge nicht nur die Bieter eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass sie sich tariftreu verhalten und Mindestlohn zahlen, sondern auch deren Nachunternehmen sowie Verleihunternehmen. Dulger: „Dies ist eine enorme bürokratische Hürde.“

Die Arbeitgeber zeigen sich von dem Korrekturvorschlag zum Landestariftreue- und Mindestlohngesetz auch deshalb irritiert, weil die grün-schwarze Koalition eigentlich deutlich darüber hinaus gehen wollte. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die im Tariftreue- und Mindestlohngesetz (LTMG) geregelte Subunternehmerhaftung führt in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten und ist eine nicht unerhebliche bürokratische Mehrbelastung für die Unternehmen. Die Haftungsregelung wollen wir evaluieren.“ Diese Evaluierung stehe jedoch noch immer aus, kritisieren die Arbeitgeber. Statt dessen plane das Land nur eine Teiländerung, und die obendrein auch noch „heimlich“. Dulger spricht damit den Umstand an, dass die Landesregierung die Korrektur im Rahmen eines sogenannten Artikelgesetzes vornehmen will: Das ist ein Mantelgesetz, das gleichzeitig mehrere unterschiedliche Paragrafenwerke unter einem Dach vereint. Im aktuellen Fall ist es das Landesnaturschutzgesetz, das einen Zusatz zum Mindestlohn erhalten soll. Dulger nennt das eine „politische Posse“.

Eine Million Euro Kosten

Aus Sicht der Arbeitgeber ist ein beim Staatsministerium angesiedelter Normenkontrollrat ein geeignetes Instrument, um die politisch Verantwortlichen für die Bürokratielasten zu sensibilisieren. Der Auftrag einer solchen Instanz dürfe sich aber nicht auf neue Vorschriften beschränken, sondern müsse auch bestehende Regelungen auf ihre bürokratische Auswirkungen prüfen. Außerdem müsse ein Normenkontrollrat auch auf eigene Initiative oder auf Vorschlag von Bürgern und Wirtschaft tätig werden können. Kritik übt die Wirtschaft auch daran, dass das sechsköpfige, ehrenamtlich arbeitende Gremium Kosten von einer Million Euro jährlich verursachen soll, wie aus dem Konzept der Landesregierung hervorgeht. Das Land solle sich bei der Ausstattung an Erfahrungswerten in anderen Bundesländern orientieren, rät Dulger.

Auch die Industrie- und Handelskammer Stuttgart hat jüngst die Einrichtung eines Normenkontrollrats befürwortet und Kritik aus der CDU-Landtagsfraktion zurückgewiesen. Insbesondere der frühere Finanzminister Willi Stächele hatte Zweifel angemeldet, ob ein solches Gremium etwas zum Bürokratieabbau beitragen könne.