„Wir haben einen nationalen Konsens zur Endlagersuche. Nach welchen Kriterien der Atommüll künftig gelagert werden soll, klärt eine Expertenkommission aus Wissenschaftlern“, sagt Winfried Kretschmann. Foto: dpa

Atommüll möglicherweise nach Süddeutschland? Das Echo auf Überlegungen, die EU-Kommissar Günther Oettinger im Gespräch mit den Stuttgarter Nachrichten angestellt hat, fiel eindeutig aus. Eindeutig negativ.

Stuttgart - Begonnen hatte der EU-Energiekommissar seine Überlegungen mit einem ausdrücklichen Lob für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dieser habe mit seinem Vorstoß für eine ergebnisoffene Suche nach einem Atomendlager das Thema aus der Sackgasse geholt, sagte der frühere Regierungschef am Mittwoch im Gespräch mit den Stuttgarter Nachrichten. Immerhin hatte Kretschmann erreicht, dass der Salzstock in Gorleben nicht von der Suche ausgenommen wird, wie es die rot-grüne Regierung in Niedersachsen ursprünglich wollte. Keine weißen Flecken oder Tabus auf der Deutschlandkarte – das war die Voraussetzung für ein Atomendlager-Suchgesetz, das an diesem Freitag im Bundesrat verabschiedet werden soll.

Auf sein Lob für Kretschmann ließ Oettinger Kritik an Berlin folgen. Dort habe vor Beginn des Suchverfahrens niemand die grundsätzliche Frage gestellt, wo der Atommüll denn idealerweise eingelagert werden sollte – in einem Salzstock oder in Ton oder Granit. Tonschichten finden sich vor allem im Norden Deutschlands, aber auch im Süden, Granitformationen existieren im Norden Bayerns und in Sachsen.

Oettinger selbst machte keinen Hehl daraus, dass er Ton und Granit für geeigneter hält. In diesem Gesteinsschichten könnte der Atommüll nach dem Beispiel Finnlands in einer Art begehbaren Tiefgarage eingelagert werden. Anders als bei einer Einlagerung in Salz hätten spätere Generationen dadurch die Möglichkeit, sich für eine noch bessere Lösung zu entscheiden. Oettingers Satz, „das führt dazu, dass der deutsche Süden ins Gespräch kommt“, konnte so ausgelegt werden, als neige er zu einem süddeutschen Atomendlager-Standort.

Auch die Parteizugehörigkeit schützten Oettinger nicht vor Kritik

Die Tatsache, dass der Energiekommissar sich überhaupt zur Atomendlagersuche äußerte, löste am Donnerstag einigen Wirbel aus. Zahlreiche Politiker meldeten sich zu Wort – angefangen von Ministerpräsident Kretschmann: „Wir haben einen nationalen Konsens zur Endlagersuche. Nach welchen Kriterien der Atommüll künftig gelagert werden soll, klärt eine Expertenkommission aus Wissenschaftlern.“ Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Das ist typisch Europäische Kommission. Die Aufgaben, für die sie zuständig sind, packen die Kommissare nicht an. Wo sie nicht zuständig sind, darüber reden sie gerne.“

Auch die Parteizugehörigkeit schützten Oettinger nicht vor Kritik. Der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Peter Hauk, ließ sich mit den Worten zitieren: „Wir schätzen Günther Oettinger nicht nur wegen seiner energiepolitischen Kompetenz, aber Geologe ist er nicht.“ Experten würden verneinen, dass sich der Südwesten als möglicher Standort für ein Endlager eigne.

„Die nationale Endlagersuche in Deutschland geht Herrn Oettinger einen Dreck an“

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagte, Oettingers Aussagen stünden im Widerspruch zu seinen Äußerungen von 2011. Damals hätte er erklärt: „Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die mir bekannt sind, sind die Gesteinformationen in Baden-Württemberg für ein Endlager nicht geeignet.“ SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel reagierte bissig: „Die nationale Endlagersuche in Deutschland geht Herrn Oettinger einen Dreck an.“ Die FDP-Fraktion warf dem Energiekommissar vor, nicht auf dem Stand der Forschung zu sein. Der Rheingraben und die Schwäbische Alb gälten als Erdbebengebiet, zudem könnten Vulkanausbrüche nicht ausgeschlossen werden.

Die atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, sagte, Oettinger leiste der deutschen Energiepolitik einen „Bärendienst“: „Für ein ergebnisoffenes Verfahren ist es Gift, von vornherein ein Wirtsmedium generell abzulehnen“, sagte sie. Außerdem gebe es auch sehr gute Gründe gegen die von Oettinger favorisierte rückholbare Atommülllagerung.