Eine Vorbereitungsklasse an der Schorndorfer Grafenbergschule Foto: Gottfried Stoppel

Rund 1660 Migrations- und Flüchtlingsjugendliche besuchen eine Vorbereitungsklasse im Kreis. Ihnen den Alltag näher zu bringen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Schorndorf - An der Tafel hängen Grammatikformen, daneben ein Plakat mit Regeln, etwa „Wir sprechen deutsch“ oder „Wir tragen keine Mützen“. Vor der Lehrerin Nicole Fischer in der Schorndorfer Grafenbergschule sitzen 16 Schüler, die meisten aus Syrien und Afghanistan, die meisten von ihnen sind kaum ein Jahr in Deutschland. „Vor einem Jahr war die Hälfte dieser Schüler Analphabeten oder musste die lateinische Schrift noch lernen“, sagt die Lehrerin. Viel Geduld brauche man, es gebe Schüler, die sich daran gewöhnen müssten, dass eine Frau den Unterricht gestalte, sagt Nicole Fischer. Sie aber komme jeden Tag, „und irgendwann haben sie sich daran gewöhnt“.

73 solcher Klassen gibt es zurzeit im Rems-Murr-Kreis, dazu 23 weitere, die sich an Jugendliche von 15 Jahren an mit dem Schwerpunkt Beruf und Arbeit richten. Der Aufwand an Lehrkräften und Räumlichkeiten ist groß, das staatliche Schulamt in Backnang hat eigens eine eigene Koordinierungsstelle gegründet. Sie organisiert die Lehrkräfte und bietet für sie Hilfen und Fortbildungen an.

Etliche von ihnen sind Quereinsteiger in den Lehrerberuf, die zwar ein Hochschulstudium, aber keine Lehramtsprüfung haben. „Sie leisten eine unglaublich wichtige Arbeit, die viel Kraft und Einsatzbereitschaft erfordert“, sagt der Landrat Richard Sigel. Das Ziel sei nun, die Schüler nach und nach in die Regelklassen und die berufliche Bildung zu überführen, erklärt Sabine Hagenmüller-Gehring, die Leiterin des staatlichen Schulamts Backnang, der Presse bei einem Termin in der Grafenbergschule.

Manche „mit Freiräumen überfordert“

Berichte der Schulleiter zeigen indes, dass dieses Ziel nach wie vor ein anspruchsvolles ist. „Wir kommen räumlich und personell an die Grenze“, sagt etwa Stephan Weißert, der Rektor der Schorndorfer Grafenbergschule. Auch hätten die Lehrer, die dafür gezielt eingestellt wurden, nur befristete Arbeitsverträge – mit Vertragsdauern von Schuljahr zu Schuljahr. Auch pädagogisch sei es mitunter eine Herausforderung, den Schülern Pünktlichkeit und Respekt zu vermitteln. Manche Jugendliche seien „mit den Freiräumen überfordert“, sagt Weißert. Einen Schüler habe man in eine andere Bildungseinrichtung verweisen müssen, nachdem er gegen Mitschüler gewalttätig geworden sei. „Er sagte, er sei in seinem Heimatland geschlagen worden, also schlage er auch“, erzählt der Rektor.

Von einem Fall, bei dem Lehrkräfte an ihre Grenzen gerieten, berichtet auch Frithjof Stephan, der Schulleiter des Limesgymnasiums in Welzheim. An seiner Schule habe sich bei einer von einer Lehrerin angestoßene Diskussionsstunde über Religionsfreiheit eine konvertierte Schülerin so angegriffen gefühlt, dass sie weinend das Klassenzimmer verlassen habe. Zwar sei der Konflikt laut Stephan im Nachhinein gut beigelegt worden – aber der Lehrerin offensichtlich so nahe gegangen, dass sie kurz danach die Schule verlassen habe. Es gebe allerdings vom Schulamt angebotene Möglichkeiten der Supervision, um solche Dinge aufzuarbeiten, hieß es seitens des staatlichen Schulamts.

Kreis sieht sich in der finanziellen Vorleistung

Die Befristung der Arbeitsverträge für die Lehrkräfte sei eine landespolitische Frage, Maßnahmen der Anschlussqualifizierung zur dauerhaften Übernahme in den Beruf seien im Gespräch, erklärt die Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Der Landrat Richard Sigel bezeichnet das Thema als „bleibende große Herausforderung“, für welche der Kreis in vielen Punkten bereits in finanzielle Vorleistung gegangen sei. Allein für die Räumlichkeiten, die zum Teil neu angemietet werden mussten, habe man bisher gut 120 000 Euro ausgegeben. „Wir tun das sehr gerne, aber wir hoffen auch, dass von Landesseite davon etwas zurückkommt“, sagt Sigel.