Am Samstag sind Teile der Landshut in Friedrichshafen angekommen. Foto: 7aktuell.de/Andreas Friedrichs

Rumpf und Flügel der „Landshut“ treffen wohlbehalten auf dem Flughafen Friedrichshafen ein. Unter den Zuschauern: Zeitzeugen des Oktober 1977, die ganz unterschiedlich bewegt sind.

Friedrichshafen - So also landen Flugzeuge, die große Flugzeuge transportieren. Die Luft beginnt zu zittern, bevor erste Umrisse in der Höhe zu sehen sind. Die Antonow AN 124 ist nicht für den Regionalflughafen Friedrichshafen gemacht, aber die Piloten verstehen ihren Job, manövrieren den Riesen sicher durch die Wolkendecke über dem Bodensee. Im selben Moment schneidet der Lärm der Triebwerke alle Gespräche an den Zäunen vor dem Dornier-Museum ab, hinter denen sich die Besucher schon seit acht Uhr morgens drängeln.

Jürgen Vietor sieht zu mit dem Gesichtsausdruck eines Kindes vor der Bescherung. Wie tausende andere an diesem Samstag lässt er eine Kleinbildkamera klicken, gebannt von einem Motiv, das die Museumsleitung als die Heimholung der Landshut angekündigt hat. Im Bauch der Antonow steht fest verzurrt der Rumpf dieser früheren Lufthansa-Maschine, die am 13. Oktober 1977 von vier palästinensischen Terroristen entführt und fünf Tage später von einer Sondereinheit der GSG-9 befreit wurde. Jürgen Vietor war Co-Pilot der Boeing 737-200 gewesen. Als Flugkapitän Jürgen Schumann bei einem Zwischenstopp in Aden ermordet wurde, musste Vietor die Maschine allein nach Mogadischu weiterfliegen.

Gänsehaut im kleinen Zeh

Jetzt, nach 40 Jahren, lacht er, fotografiert, herzt alte Bekannte, die auch da sind. Er freue sich, dass dieses Flugzeug jetzt für immer nach Friedrichshafen komme, mehr nicht, sagt er. Kein Pathos, keine dunklen Erinnerungen, keine Melancholie. „Ich bin nicht gerührt oder so. Ich habe die Maschine ja noch bis 1983 geflogen“, klärt Vietor auf. Was wohl heißen soll: alles längst sortiert und verarbeitet.

Manche von denen, die damals keine Aufgabe hatten, keine Verantwortung und kein Prozedere als Möglichkeit, in dieser höchsten Notsituation den inneren Halt zu bewahren, schleppten ihre Erinnerungen noch lange als etwas Quälendes mit sich herum. Sie habe „Gänsehaut, das fängt im kleinen Zeh an“, sagt Diana Müll, als die riesige Nase der Antonow aufklappt und den Blick auf die angerostete Fracht im Innern frei gibt. Sie war eine 20-jährige Urlauberin, als die Landshut gekapert wurde. Mittlerweile hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie ihrer damaligen Todesangst Worte gab.

Kameradschaft, die immer noch lebt

Aribert Martin wirkt ganz anders, cool und irgendwie cowboyhaft. Er war 21 Jahre, als er zum Sturmtrupp der GSG 9 gehörte, die am 18. Oktober 1977 die Landshut befreite. Jetzt trägt er eine Jacke mit der Aufschrift „Airborne Section“ und schwärmt von der alten Kameradschaft, die immer noch lebt. Keine gemeinsamen Kraxeltouren auf den Großvenediger mehr, aber „kleine Motorradtouren und irgendwas“. Als er die Nase der alten Landshut sieht, fällt ihm ein: „Ich hatte ein kleines bisschen Bammel, dass ich in die Luft gesprengt werde.“ Aber die Terroristen, ach: „Da geht es halt Mann gegen Mann.“

Die damalige Stewardess Gabriele von Lutzau ist auch da, wie Ex-Copilot Vietor hat sie einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Übers Politische mag sie reden, schneidet Fragen nach ihren Emotionen damit ab, sie habe „ein unterkühltes Verhältnis“ zu diesem Abschnitt ihres eigenen Lebens. Die Landshut sei „ein Symbol der Nichterpressbarkeit des Staates“, der Deutsche Herbst „ein abgeschlossenes Geschichtsgebiet“. Manche an diesem Tag meinen, die frühere Lufthansa-Maschine müsste originalgetreu wieder restauriert werden, Gabriele von Lutzau hält davon nichts. „Der vordere Teil sollte bestuhlt und ein Teil des Cockpits wieder hergerichtet werden“, meint sie. Und die Opfer sollten Gesichter bekommen. Die Landshut als Vermittlungsort von Geschichte, und nicht bloß ein zurückgebautes und aufpoliertes Exponat.

Für die Landshut wird ein eigener Hangar gebaut

Was genau wird, weiß der Museumsdirektor David Dornier selber noch nicht genau. Monika Grütters (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, werde nun im Hinblick auf die Landshut-Ausstellung einen wissenschaftlichen Beirat gründen und ein Konzept erarbeiten. Nachfolgende Generationen, sagt Dornier, sollten sehen können, „was es bedeutet, für die Demokratie zu kämpfen“. Ein eigener Hangar für die Landshut wird gebaut. Bis er steht und die Maschine restauriert ist, werden mindestens zwei Jahre vergehen, heißt es. Dann werden nach aktuellen Schätzungen zehn Millionen Euro ausgegeben worden sein. Die jährlichen Unterhaltskosten schätzt ein Sprecher der Dornier-Stiftung auf eine Summe zwischen 140.000 und 200.000 Euro. Das Geld soll durch höhere Besucherzahlen wieder hereinkommen.

Dieser Samstag macht in dieser Hinsicht schon mal Mut. In der großen Ausstellungshalle im Museum wird die vorsichtige Ausladung des Landshut-Rumpfes auf Großbildleinwand übertragen, dazu spielt eine Band in kleiner Jazzbesetzung. Sie hält inne, als gegen Mittag noch eine Iljushin 76 landet, an Bord die beiden Flügel der Landshut. Die Luft vibriert, infernalischer Lärm breitet sich aus, auf den Tischen zittern die Kaffeetassen. Die Stimmung könnte nicht besser sein.