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Lager mit 25 Tonnen Waren bei Pensionär – Beute von Büromaterial bis Rommels Reden.

Stuttgart - „Wenn Menschen sich verrechnen, dann fast nur zum eigenen Vorteil, ganz besonders bei uns in Württemberg!“ Sollte Alt-Oberbürgermeister Manfred Rommel sein Rede-Manuskript vom 27. September 1990 zum Abschied eines Präsidenten der Oberfinanzdirektion suchen – es ist wieder da. Ein pensionierter Hausmeister des Rathauses hat Rommels Reden-Ordner bei sich zu Hause aufbewahrt – inmitten eines riesigen Warenlagers mit Beständen aus der Stadtverwaltung. 25 Tonnen Arbeitsmaterial. Der 69-Jährige hat zugegeben, alles über Jahrzehnte gestohlen zu haben.Unbemerkt.

Joachim Wannenwetsch vom Ermittlungsdienst des Reviers Innenstadt stöhnt: „Der Wert geht in die Hunderttausende, vermutlich in Richtung einer halben Million Euro“, sagt er. Ein leerstehendes Dienstgebäude an der Willy-Brandt-Straße in der Innenstadt, das einst die Verkehrsunfallaufnahme beherbergte, ist zu einem Kaufhaus geworden. Alle Zimmer im Erdgeschoss sind bis zur Decke vollgestopft mit palettenweise Büro- und Verbrauchsmaterial, mit Geräten, Maschinen und Haushaltsutensilien.

500 Bleistiftspitzer, Klobürsten und Medaillen

Seit Mittwoch vergangener Woche sind 40 bis 50 Polizisten damit beschäftigt gewesen, die Beute aus dem Rathaus mit vier Lkw hierher zu transportieren, zu sichten und zu katalogisieren. 4000 Posten stehen auf der Liste, wobei ein Posten mehrere Tausend Teile umfassen kann. Die Köpfe glühen, die Computer auch. Wie zum Hohn steht ein gestohlenes städtisches Schild in einer Ecke. Aufschrift: Hauptamt, Abteilung Datenverarbeitung.

Auszüge aus dem Warenbestand: 7000 Kugelschreiber, 2000 „Stuttgart“-Stofftaschen, 500 Bleistiftspitzer, 750 originalverpackte Schließzylinder. Acht Feuerlöscher, 25 Eisen-Poller, vier Bodenreinigungsmaschinen, dazu Leuchtstoffröhren, Baustellenleuchten, Lampen, Haushaltsleitern, palettenweise Papier, Briefumschläge, Tesa-Rollen und Geschirrtücher, Staubtücher, Besen, Klobürsten, Stühle. Spritzdüsen und Kupplungsstücke für Feuerwehrschläuche. Medaillen der Stadt und der Rad WM 1991.

Anonymer Hinweis führt zu dem Pensionär

Ein anonymer Hinweisgeber hatte auf den Pensionär in einer Gemeinde im Kreis Ludwigsburg hingewiesen. Als die Polizisten die Wohnung des 69-Jährigen unter die Lupe nahmen, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Keller, das Dachgeschosses, die Garage, die Gartenlaube – alles vollgestopft. Alles nur gehortet, nicht zum Weiterverkauf bestimmt. „Ich habe halt eine ausgeprägte Sammelleidenschaft“, gab der Beschuldigte zu Protokoll. Von 1983 bis 2007 hatte Hausmeister Klaus P. der Stadt Stuttgart scheinbar treu gedient. Als Elektromeister war er im Rathaus und verschiedenen Ämtern Mädchen für alles, hatte in der Rathauspassage seine Dienstwohnung. Und er hatte Zugang zu den Orten, an denen er über Jahrzehnte sammelte.

Gab und gibt es kein Kontrollsystem? Die Stadt, die den Vorgang am liebsten verschwiegen hätte, gibt sich auf Anfrage am Montag etwas ratlos. „Das darf nicht passieren, ist aber kaum zu verhindern“, sagt Markus Vogt, Sprecher des Oberbürgermeisters. Zum einen sei man „ein großer Betrieb mit 13 000 Mitarbeitern“, zum anderen falle der Diebstahl, in kleine Mengen aufgeteilt, nicht sofort auf.

Meistens jedenfalls: Ein Diebstahl von zwei Lochern war in der Stadtkämmerei sehr wohl bemerkt worden. Der Verdacht fiel dabei sogar auf Klaus P. – allerdings konnte bei ihm nichts gefunden werden. In seinen Diensträumen gab es kein Diebesgut.

Mit den Beständen des diebischen Hausmeisters dürfte die Stadt für Monate ausgesorgt haben. Jetzt muss alles zurück von der Polizei ins städtische Lager, dann hat alles seine Ordnung. Alt-OB Rommel wusste in seiner Rede vom 27. September 1990: „Es gibt keine Ordnung, die bestehen bliebe, wenn sie sich nicht wieder neu herstellte.“