Ursula von der Leyen will Soldaten nicht nur im Ausland einsetzen – wie hier in Mali – sondern auch zuhause in Deutschland. Damit eckt sie bei der Opposition und beim Koalitionspartner an. Foto: dpa

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (SPD) will Soldaten künftig auch bei der Terrorabwehr einsetzen. Damit bringt sie die SPD gegen sich auf. Der Koalitionspartner lehnt das strikt ab. Auch im Außenamt gibt es Kritik am Vorgehen der Kollegin.

Berlin - Kaum hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Entwurf für ein neues Weißbuch zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr in die Ressortabstimmung gegeben, ist der Streit darüber voll entbrannt. Nicht nur die Sicherheitspolitiker bei den Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken sowie die Verteidigungsexperten der SPD sind erbost. Auch der Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist dem Vernehmen nach vergrätzt, weil ganze Kapitel des neuen Grundlagendokuments über die künftige deutsche Sicherheitspolitik durch von der Leyens Weißbuchautoren angeblich überraschend erst in letzter Sekunde eingefügt worden sind.

Aber nicht nur das Prozedere ist den Kritikern ein Dorn im Auge. Fraktionsübergreifende Einwände ruft hervor, dass Ursula von der Leyen Soldaten künftig auch bei der Terrorabwehr im Bereich der inneren Sicherheit einsetzen will, etwa nach einem befürchteten Terrorangriff. „Weißbuch hin oder her“, heißt es dazu klipp und klar aus Steinmeiers Umfeld, „eine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern wird es mit der SPD nicht geben.“ Das ruft außer bei der Union fraktionsübergreifende Einwände hervor. Ursula von der Leyens Vorstoß rührt an Verfassungsvorgaben, die seit Gründung der Bundeswehr vor sechzig Jahren gelten. Der Streit ist nicht neu; immer wieder hat die Union den Einsatz von Soldaten zur Unterstützung der Polizei in Belangen der inneren Sicherheit ins Gespräch gebracht. Das lässt das Grundgesetz jedoch nicht zu, wie auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes belegt. Demnach kann die Regierung die Bundeswehr zwar im Fall einer Bedrohung „katastrophischen Ausmaßes“ im Rahmen der Amtshilfe als Unterstützung der Polizei hinzuziehen; die Truppe darf jedoch keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen. „Welchen Sinn soll es haben, wenn ein Soldat, der weder Personenkontrollen machen noch Rucksäcke durchsuchen darf, in einem terrorgefährdeten Bahnhof patroulliert?“, fragt sich der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Zugleich lehnt er ebenso wie SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Außenminister Steinmeier eine Änderung des Grundgesetzes strikt ab.

Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit verwischt

Für die Grünen ordnet die Sicherheitsexpertin Agnieszka Brugger den Entwurf der Ministerin als „Rechtsruck einer konservativen Verteidigungspolitik“ ein. „Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die Aufweichung der Rechte des Parlamentes bei Bundeswehreinsätzen entgegen der Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes und eine stärkere Rolle des Hinterzimmer-Bundessicherheitsrates, der ohne Hemmungen Waffen in alle Welt genehmigt, sind große Schritte in die falsche Richtung“ erklärte Frau Brugger. Sie forderte die SPD auf, von der Leyens Vorstoß im Rahmen der Ressortabstimmung zu entschärfen. Auch Christine Buchholz (Linke) spricht von einem Versuch von der Leyens „ die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit zu verwischen“. Das Beispiel Frankreichs zeige, dass durch eine derartige Verwendung von Soldaten Terroranschläge nicht zu verhindern seien. Die Antwort auf die neuen Bedrohungen der Gegenwart „kann nicht die Militarisierung im Inneren sein, sondern muss die Entmilitarisierung der Außenpolitik sein. Auch der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki betont, dass der Bundeswehreinsatz im Inneren „zu Recht auf den Notstand beschränkt ist“. Den Vorschlag, Soldaten auch für die Grenzsicherung, die Terrorabwehr oder die Flüchtlingsarbeit einzusetzen, wertete Kubicki als „Missbrauch“. Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte steht recht allein mit seiner Einschätzung, dass „dringender Handlungsbedarf besteht, damit Militär, Polizei und Nachrichtendienst besser zusammenarbeiten können“. Otte hält die Grundgesetzartikel aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik nicht mehr für zeitgemäß. „Es macht keinen Sinn, die Bundeswehr als Spezialist für Sicherheit nicht umfassend an der Sicherheitsarchitektur Deutschlands zu beteiligen“, betonte er. Allerdings will er darüber erst in den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2017 verhandeln.

Quasi vom Tisch sei bereits der Vorstoß, Artikel 89a des Grundgesetzes künftig zur Geschäftsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu machen, verlautete aus Regierungskreisen. Damit würde künftig vermieden, Auslandseinsätze in „ein System kollektiver Sicherheit“ einzubetten, was das Bundesverfassungsgericht für notwendig erklärt hat.