Foto: Michael Luz

Aufmerksamer Zimmerservice, freundliches Personal, ordentliche Zimmerausstattung, kleine Annehmlichkeiten, abwechslungsreiches Frühstück - ist das so schwer?

Schon bei der Ankunft zeigt ein gelangweilter Empfangschef, was er von der Vertrauenswürdigkeit des Gastes hält: erst mal her mit der Kreditkarte! Und das Gepäck bleibt stehen, bis ein Page Zeit findet, es nach frühestens einer halben Stunde mit einem Dutzend anderer Koffer auszuliefern. Im Zimmer hat anscheinend schon Napoleon übernachtet. Die Matratze aber wurde seitdem nicht mehr gewechselt. Immerhin steht zur Begrüßung eine Flasche Mineralwasser auf dem Tisch - die sich später mit 7,50 Euro auf der Rechnung wiederfindet. Beim Duschen verbrüht man sich, weil die Armaturenbatterie nur nach sorgfältigem Studium eines Handbuchs zu bedienen ist.

Die Haare wäscht man mit Bodylotion statt mit Shampoo: Die Minibuchstaben auf den Fläschchen sind nicht mal mit Lupe zu entziffern. Noch ein paar Zeilen lesen im Bett? Leider unmöglich, da sich die Ablage genau ins Rückgrat bohrt. Also löscht man besser das Licht. Aber auch intensivstes Spielen auf der Klaviatur der zehn Schalter bringt kein Ergebnis: Irgendeine der Funzeln brennt immer. Vielleicht hilft ein Bier beim Einschlafen? „Bar zu“, knurrt der Nachtportier. Holt aber dann immerhin aus einer Ecke ein Flasche lauwarmes Pils. Und ein Glas? „Bar zu.“ In seinen einsetzenden wüsten Träumen weiß der Gast bereits, was ihn am nächsten Morgen erwartet: ein Frühstück aus dem Katalog des kulinarischen Grauens . . . So ist das. So ist es leider viel zu oft. Im idealen Hotel dagegen geht es ganz anders zu. Napoleon hat auch hier genächtigt, aber die Matratze von heute ist Zweilagen-Kaltschaum vom Feinsten. Der Portier hat dem Neuankömmling von sich aus einen Stadtplan angeboten und auf seine Frage drei Lokale in der Nähe empfohlen, in denen er selbst gelegentlich isst.

„Für Sie ganz allein haben wir . . .“-Quatsch

Dann erst weist er auch auf das hauseigene Restaurant hin. Diese Person an der Rezeption ist jung oder alt, Frau oder Mann, hübsch oder auch nicht - aber immer kundig und souverän. Sie zaubert bei Wolkenbruch wie aus dem Nichts einen Regenschirm herbei und schafft es mit Freundlichkeit und Autorität, selbst nachts um zwei die feiernden Australier auf Zimmerlautstärke zu dimmen. Selbstverständlich saugt im idealen Hotel niemand morgens um sechs die Flure, keine Hausdame wartet fingertrommelnd darauf, die Minibar zu kontrollieren, und niemand verkauft Selbstverständlichkeiten als „Für Sie ganz allein haben wir . . .“-Quatsch. Zum Frühstück zeigen die Menschen des Hotels erst recht, was sie können: Ahle Wurst in Kassel, Krabben in Neustadt, Weißlacker in Obersdorf. Und wenn der Gast am dritten Morgen schon wieder Spiegeleier bestellt, lächelt die Köchin und sagt: „Wollen Sie nicht mal Rührei mit Räucherfisch probieren? Ich hätte Zeit und könnte das für Sie machen.“

Versteht sich, dass die Gäste zum idealen Hotel passen. Immer sind ein paar dabei, die einem zu denken geben: das silberhaarige Paar, das per Motorrad mit Seitenwagen durch ganz Europa reist. Der Herr mit den asiatischen Gesichtszügen und dem Pfälzer Dialekt. Die Pharmavertreterin, die an eine Gräfin aus dem Baltikum erinnert. Und wenn der Monteur aus Braunschweig nachts an der Bar seine Lebensgeschichte erzählt, ist die so spannend, dass der Zuhörer bis um eins sitzen bleibt, um ja nichts zu verpassen. Und irgendwo in den Weiten der Flure wohnen auch Leute wie die Schauspielerin Christiane Paul oder der Songwriter Leonard Cohen, beim Frühstück kommen sie unauffällig dazu, und niemand macht ein großes Bohei darum. Mit einem Wort: Im idealen Hotel stellt sich nie das Gefühl ein, in der Zelle einer Abzockmaschine zu sitzen. Die Angestellten sind unaufdringlich, abgeklärt, humorvoll - auch deshalb, weil der Chef sie ordentlich bezahlt. Und, nicht zu vergessen: Natürlich haben alle Gäste freies Internet. Und jeder kommt problemlos ins Netz. Denn das ideale Hotel hat keine technischen Geheimnisse. Andere aber sehr wohl. Es atmet. Es lebt. Es strahlt Freundlichkeit und Optimismus aus. Ist das so schwer?