Die Volleyballerin Renáta Sándor ist die punktbeste Angreiferin der Bundesliga Foto: Baumann

Voller Zuversicht gehen Stuttgarts Volleyballerinnen in das entscheidende dritte Spiel des Play-off-Viertelfinales an diesem Mittwoch (19 Uhr/Scharrena) gegen den USC Münster – vor allem die beste Angreiferin zeigt sich angriffslustig. „Wir haben“, sagt Renáta Sándor, „noch etwas geradezurücken.“

Stuttgart - Als Axel Büring, Trainer des USC Münster, vor dem zweiten Play-off-Spiel hörte, dass Stuttgarts Topjoker Jelena Wlk krank zu Hause geblieben ist, sagte er lapidar: „Lieber wäre mir, Renáta Sándor wäre nicht dabei.“ Das war keine Spitze ge- gen Wlk, sondern eine Respektsbekundung für Sándor. Vor dieser Saison war die ungarische Nationalspielerin in Deutschland nahezu unbekannt. Mittlerweile kennt, nein, fürchtet sie jeder Gegner. Die 24-jährige Stuttgarterin beendete die Hauptrunde als punktstärkste Angreiferin der Bundesliga.

Schüchtern ist die 1,82 Meter große Angriffs- und Annahmespezialistin nur neben dem Spielfeld. Sie ist keine Freundin großer Worte, lässt lieber Taten sprechen. Der Blick auf ihre bisherige Titelsammlung ist beeindruckend: dreimal ungarischer Pokalsieger, viermal ungarischer Meister (mit Vasas Óbuda Budapest), zweimal österreichischer Meister (mit SVS Post Schwechat) und in ihrem ersten Jahr in Deutschland gleich Pokalsieger – dieser Titel bedeutet ihr besonders viel.

„Ich habe mir alle Zeitungen gekauft, in denen etwas über uns stand“, sagt sie, „ich werde daraus eine Collage machen.“ Auf der Heimfahrt aus Halle/Westfalen hatte Renáta Sándor den Bronzepokal im Mannschaftsbus auf ihren Nebensitz gestellt, ihm ihre Goldmedaille umgehängt und das Ensemble fest angeschnallt, damit dem edlen Stück ja nichts passiert.

Sándor kam früh mit Teamsport in Berührung. Ihre Mutter war Handballerin, ihr Vater Fußballer – und die Tochter immer dabei. Sie kickte mit Jungs, spielte Handball. Ihr Sportlehrer in Jászberény (80 km östlich von Budapest) brachte sie zum Volleyball. „Er sagte, ich hätte ein gutes Ballgefühl. So kam Volleyball in mein Leben und ist seitdem das, worum sich bei mir alles dreht.“ Einen Volleyball und ihre Trikotnummer „7“ hat sich Sándor über dem rechten Sprunggelenk tätowieren lassen, dasselbe Motiv ziert ein von ihr entworfenes Medaillon.

Die jüngste Erstligaspielerin Ungarns

Im zarten Alter von 14 Jahren war sie die jüngste Erstligaspielerin Ungarns. „Das ging in den Medien rauf und runter und war mir fast schon peinlich“, erinnert sie sich, während sie in einer heißen Schokolade („mit extra viel Sahne“) rührt. Dann schmunzelt sie kurz. „Damals war ich noch Mittelblockerin.“ Zur Nationalmannschaft gehört sie seit 2008, dort spielt sie auf der Diagonalposition. In Stuttgart wird sie als Außenangreiferin und in der Annahme eingesetzt. „Das ist meine Lieblingsaufgabe“, meint sie, „da ist immer was los.“

Entdeckt wurde die flexible und brandgefährliche Offensivkraft von Stuttgarts Trainer Guillermo Naranjo Hernandez per Zufall. „Eine slowakische Mitspielerin in Schwechat schnitt ein Video mit Spielszenen von sich zusammen, um sich zu bewerben“, sagt Sándor und lacht, „Guillermo schaute sich das Video an und hat dabei Aktionen von mir entdeckt. Das hat ihm gefallen.“

Der MTV-Coach checkte die Mannschaftsliste und kontaktierte die Ungarin via Facebook. Heute schnalzt Hernandez mit der Zunge, wenn er über die Leistungen seiner Hauptangreiferin spricht. „Uhhh, Rrrrrenata“, sagt er mit dem typischen rollenden „R“ des Spaniers, „she is amazing.“ Wunderbar. Und beeindruckend.

Nach dem Spiel schossen ihr Tränen ins Gesicht

Auch bei der überraschenden 1:3-Niederlage am Sonntag in Münster war Sándor mit 20 Punkten am erfolgreichsten. Trotzdem schossen ihr nach dem Spiel die Tränen ins Gesicht. „Wenn ich spüre, dass es nicht ein gutes Spiel war, dann muss ich oft weinen, selbst wenn wir gewinnen“, sagt Sándor.

Angst, dass die Saison an diesem Mittwoch bei einer weiteren Niederlage gegen den USC vorzeitig enden könnte, haben Sándor und ihre Teamkolleginnen nicht. „Wir werden gewinnen“, sagt die Spielerin, die im Angriff die größte Last zu tragen hat, „und das nicht, weil wir unbedingt müssen. Nein, wir alle wollen nur aus einem Grund gewinnen: Weil wir in Münster schlecht gespielt haben. Wir können es viel besser, und das werden wir auch zeigen.“ Dann könnte es nach dem Spiel wieder Tränen geben. Diesmal vor Freude.