Abschiedsschmerz: Nichole Lindow wird Allianz MTV Stuttgart verlassen, das geht auch Kapitänin Kim Renkema (re.) nahe. Foto: Baumann

Fünf Spielerinnen werden womöglich gehen: Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart bastelt am Team der Zukunft – und verzichtet wohl auf die Qualifikation zur Königsklasse.

Stuttgart - Am Ende einer kräftezehrenden Saison hatten die Stuttgarter Volleyballerinnen noch einen letzten gemeinsamen Termin. Am Dienstagabend trafen sie sich im Vereinslokal des MTV Stuttgart. Zum Pizza essen. Aber auch, um noch einmal aufzuarbeiten, was sie im vergangenen halben Jahr erlebt haben: 46 Spiele in drei Wettbewerben, zwei verlorene Finalduelle in Meisterschaft und Pokal, aber auch unvergessliche Heimspiele, zuletzt vor 5392 Zuschauern in der Porsche-Arena. Nun heißt es für Spielerinnen, Trainer und Betreuer, Kraft zu tanken für die nächste Saison. Nur die Verantwortlichen können keine Auszeit nehmen: Sie müssen die Zukunft planen.

Die Trainer: Chefcoach Guillermo Naranjo Hernandez (38) und sein Assistent Giannis Athanasopoulos (37) geben auch künftig auf der Bank den Ton an. In zwei Jahren führten die beiden Freunde („Wir sind wie Brüder“) ihr Team in vier Endspiele, viel erfolgreicher hätten sie kaum arbeiten können. „Vom Können, Wissen und der Erfahrung her, haben wir sicher einen der besten Bundesliga-Trainer“, lobt Manager Bernhard Lobmüller den Spanier Hernandez.

Die Mannschaft: Egal, wie erfolgreich ein Team ist, im Volleyball gehören Abschiede am Ende einer Saison dazu wie Schmetterbälle oder Blocks. Auch in Stuttgart wird es nächste Saison viele neue Gesichter geben – das Gerüst des Teams aber steht. Michaela Mlejnkova (19) hatte einen Zwei-Jahres-Vertrag, Renata Sandor (25) kehrt nach ihrem Kreuzbandriss zurück. Da auch Kapitänin Kim Renkema (28) bleiben wird, ist Allianz MTV Stuttgart künftig im Außenangriff bestens besetzt. Mit Mittelblockerin Micheli Tomazela Pissinato (32), Zuspielerin Valerie Nichol (23) und Diagonalangreiferin Deborah van Daelen (27) sind offenbar nur noch Kleinigkeiten zu klären. Fakt ist: Alle drei will der Verein halten. Wie auch Kaja Grobelna (21). Die Belgierin ist die Aufsteigerin der Saison – und entsprechend begehrt. Dennoch ist Lobmüller zuversichtlich, dass seine Diagonalgreiferin in Stuttgart bleibt: „Die Chancen stehen ganz gut.“

Sicher nicht mehr dabei sein werden Jelena Wlk (23) und Nichole Lindow (23), die ihre Karrieren beenden. Zuspielerin Femke Stoltenborg (24) ist nicht nur unzufrieden mit der Rolle als Nummer zwei hinter Nichol, der Niederländerin sollen auch lukrative Angebote vorliegen – ihr Abgang gilt als sicher, auch weil der Verein sich von ihr mehr versprochen hatte. Offen ist die Zukunft von Mittelblockerin Caroline Jarmoc (24) und Lisa Thomsen (29). Die Libera spielte zwar in den Play-offs stark, zählt aber zu den teuersten Spielerinnen des Kaders. Es ist fraglich, ob sich der Club ihre Dienste auch weiterhin leisten kann und will.

Als Neuzugang steht bisher Mittelblockerin Jennifer Pettke (26) vom 1. VC Wiesbaden fest. Lobmüller arbeitet darauf hin, dass sein neues Team spätestens Ende Mai steht: „Die Verhandlungen mit einigen sehr interessanten Spielerinnen sind weit fortgeschritten. Wir versuchen, nächste Saison eine noch stärkere Mannschaft zu stellen.“

Die Champions League: Das Abenteuer Königsklasse war nicht nur spannend, sondern auch teuer – dem Verein blieb ein Minus von rund 25 000 Euro. Und nun kommt für das nächste Jahr ein Modus dazu, der aus Stuttgarter Sicht, vorsichtig ausgedrückt, nicht sonderlich attraktiv ist. Als deutscher Vize-Meister muss der MTV erst eine Qualifikationsrunde spielen und dann eine Vierer-Gruppe als Erster beenden, um in die Königsklasse einzuziehen. Dies zu schaffen, ist angesichts der Stärke der Konkurrenz eher unwahrscheinlich, und dennoch würden schon in dieser Qualifikationsphase zumindest 60 000 Euro an Kosten anfallen.

Geschäftsführer Aurel Irion ist gerade dabei, die Meinung der Gesellschafter abzufragen, seine Tendenz ist eindeutig: „Das finanzielle Risiko ist aus meiner Sicht zu groß.“ Ähnlich denkt Bernhard Lobmüller. Obwohl der Verein anstrebt, seinen Etat für nächste Saison von aktuell 900 000 Euro auf eine Million Euro zu erhöhen, sagt er: „Was die sportliche und finanzielle Situation sowie die Belastung des Teams angeht, wäre es Harakiri, an der Qualifikation zur Champions League teilzunehmen.“ Bis zum 9. Mai muss der Verein beim europäischen Verband melden. Folgen hätte ein Verzicht keine. Allianz MTV Stuttgart könnte am europäischen CEV-Pokal teilnehmen – an dem Wettbewerb, in dem auch die Clubs spielen, die in der Qualifikation zur Champions League scheitern. „Wir haben finanzielle Sorgen, deshalb würden ein Verzicht auf die Quali zur Königsklasse sicher auf Verständnis stoßen“, meint Aurel Irion, „folglich wird es wohl auf den CEV-Pokal hinauslaufen.“