Toni Brunner will mehr Sicherheit für die Schweizer Bevölkerung Foto: dpa

Die Durchsetzungsinitiative der Schweizer Volkspartei (SVP) klingt auf den ersten Blick nach: kriminelle Ausländer raus aus der Schweiz. Doch dahinter verbergen sich noch viele andere Fragen.

Zürich - Wird die Schweiz zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft? Diese Frage wabert derzeit durch das Land mit den 26 Kantonen. Denn am 28. Februar stimmen die Eidgenossen über eine weitere Verschärfung des Strafrechts für Ausländer ab. Wer keinen Schweizer Pass besitzt, könnte demnach in Zukunft bereits wegen Bagatelldelikten abgeschoben werden – noch bevor ein Richter den Einzelfall prüfen oder abwägen kann, ob eine Ausweisung verhältnismäßig ist.

Vor Schweizer Gerichten wären damit nicht mehr alle Menschen gleich. Und nach Lage der Dinge reichte bereits ein falsch ausgefülltes Formular, um einen Nicht-Schweizer wegen Sozialmissbrauchs aus dem Land zu verweisen und mit einer Wiedereinreisesperre zu belegen.

Der Grund, dass es überhaupt zu diesem Votum kommt, ist eine sogenannte Durchsetzungsinitiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Ihrer Ansicht nach wird die Initiative zur Ausschaffung von Ausländern bei schweren Straftaten, für die das Volk im November 2010 gestimmt hatte, unzureichend umgesetzt. Vor allem die darin verankerte Härtefallklausel, nach der ein Gericht im Einzelfall die Ausschaffung (Abschiebung) des straffälligen Ausländers wegen persönlicher Gründe aussetzen kann, widerstrebt am Ansinnen der Rechtskonservativen zuwider. Sie beabsichtigen deshalb jetzt, die Ausschaffung sowie den Katalog an Delikten zu erweitern. „Wir wollen die Sicherheit der Bevölkerung erhöhen. Wer bei uns Gastrecht genießt, verwirkt dieses, wenn er kriminell wird“, sagt SVP-Präsident Toni Brunner. Für viele Betroffene sei eine Abschiebung die härtere Strafe als ein Winter in einem warmen, wohligen Gefängnis.

Flüchtlinge werden zur Gefahr erklärt

Seit Monaten skizziert die SVP ein Krisenszenario, in das die Schweiz schlittern werde. Flüchtlinge gefährdeten das gesellschaftliche Zusammenleben; Einwanderer aus der EU nähmen den Schweizern die Jobs weg und verstopften Züge und Autobahnen. Unter diesem Eindruck gehen die Schweizer Ende Februar an die Urnen.

Die Dimension ihrer Entscheidung ist diesmal aber weitreichender als sonst. Es geht nur um Abschiebungen von kriminellen Ausländern, wie der erste Blick vermuten lässt. Zur Debatte stehen darüber hinaus bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und Europäischen Union, die Rechtssicherheit sowie verfassungs- und völkerrechtliche Grundsätze. Denn gäbe es eine Mehrheit für die Durchsetzungsinitiative und setzte man diese konsequent um, würde das zu systematischen Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) führen.

Ein Zusammenschluss von 56 Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen fürchtet einen Angriff auf die Grundwerte der Demokratie und stemmt sich gegen den SVP-Vorschlag. In einem öffentlichen Appell heißt es: „Die Initiative gefährdet unseren Wohlstand und unser Zusammenleben. Und sie macht aus Recht Willkür.“

Nun sind die Schweizer es gewohnt, Sachverhalte einzeln zu betrachten, sich intensiv zu informieren und darüber abzustimmen. Doch diesmal lastet auf ihnen eine besondere, in dieser Form noch nie dagewesene Verantwortung.