Roberto Blanco hatte 2007 ein bisschen Spaß beim Volksfest Foto: Kraufmann

Im Anfang war die Tat. Sagte Goethe. Das gilt nun auch wieder fürs Volksfest. Erst wenn der OB freitags um 15 Uhr das erste Fass angestochen hat, darf auch das Volk trinken. Es ist dies das neueste Kapitel in der schier unendlichen Sage um die Volksfest-Eröffnung.

Stuttgart - Sie darf sich freuen. Endlich spielt sie wieder einmal eine prominente Rolle. Nein, die Eröffnung darf sie zwar noch immer nicht beherbergen, die Fruchtsäule, doch immerhin wird sie dieses Jahr mit einem Feuerwerk erfreut. Wenn Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn am Freitag, 26. September, um 15 Uhr im Dinkelacker-Zelt das erste Fass ansticht, dann werden nicht nur vor den anderen Zelten Büttel ihre Glocken läuten und den Bierverzehr offiziell erlauben, dann wird an der Fruchtsäule auch ein Feuerwerk gezündet.

Damit beginnt nach sieben Jahren das Volksfest wieder mit dem Fassanstich. „Ich wollte eine Eröffnung, wenn das Fest auch wirklich eröffnet wird“, sagt Andreas Kroll, Chef der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, in den vergangenen Jahren sei das doch sehr aus dem Ruder gelaufen mit all den Pre-Openings. Andere hatten nämlich das Recht des ersten Fasses für sich reklamiert: Brauereien und Wirte hatten eigene Eröffnungen gefeiert. Möglich geworden war dieser Wildwuchs jedoch, weil die Stadt unbedingt live ins Fernsehen wollte. Und der Festplatz bereits um 15 Uhr öffnete, während der Fassanstich erst am Abend war.

Nun geht es zurück in die Zukunft. Dem SWR ist der Beginn der Eröffnung nun zu früh, er will am Freitag keine abendfüllende Sendung vom Volksfest mehr zeigen. Man begnügt sich nun mit einer halben Stunde in der Landesschau. Kroll kann damit gut leben. „Wir haben dafür eine Woche später eine zweistündige SWR-Sendung vom Volksfest“, sagt er, „insgesamt ist diese Lösung ein Gewinn.“

Vor zehn Jahren waren die Verantwortlichen ganz anderer Meinung gewesen. Bereits 2004 hatten Stadt und Gemeinderat die Idee ausgeheckt, man könne das Volksfest bereits am Freitagabend eröffnen und die Show live im Fernsehen übertragen. Der Widerstand der Traditionalisten verhinderte dies. War das Volksfest doch seit jeher samstags an der Fruchtsäule eröffnet worden.

Doch 2007 spielte die Historie keine Rolle mehr, die Quote schien wichtiger. Das Volksfest begann bereits freitags. Live übertrug der Landessender daraufhin 90 Minuten aus dem Bierzelt – auf einem Sendeplatz, auf dem stets gnadenlos geschunkelt wird. Deshalb hatte der SWR auch wissen lassen, man übertrage nur, „wenn sieben Top-Acts der volkstümlichen Musik“ ins Programm kämen. Die Stadt antwortete: „Es ist nicht allein die Stunde der Volksmusik, sondern die Volksfesteröffnung“, und beharrte auf lokalen Farbtupfern wie Zauberer Topas und die Band Wirtschaftswunder. In den Folgejahren schlug die Stimmungsmusik zurück, der SWR bestätigte dabei den Branchenspott: „Mit den Dritten sieht man besser.“ Immerhin, einmal war das Publikum beim SWR jünger als die Hauptdarsteller. So erfuhr man: Heino lebte noch, Tony Marshall bekam noch die Hände zum Himmel und die Wildecker Herzbuben waren noch nicht geplatzt.

Eine Million Menschen schauten zu. Doch weder Veranstalter noch Publikum waren glücklich mit dem Programm. Was es mit dem Volksfest zu tun hat, wenn Tim Toupet playbackt „Du hast die Haare schön“ oder Rosanna Ricci „einen Bikini im Dezember braucht“, erschloss sich nur dem SWR. 2011 erreichte der Unmut gar den Landtag. Der Abgeordnete Reinhard Löffler (CDU) wollte von der Landesregierung wissen, wie lange sie diese Beliebigkeit noch hinnehmen wolle. Besonders hatte ihn erbost, dass der „Moderator aus Bochum“ die „baden-württembergische Nationalhymne“ angekündigt hatte. Nun kann solch ein Versprecher jedem passieren, doch schien vielen dieser Satz sinnbildlich zu stehen für den lieblosen Umgang des SWR mit dem Volksfest.

Also schraubte man wieder am Konzept herum. Man brachte Einsprengsel vom Platz, zuletzt verschob man die Eröffnung auf den frühen Abend, straffte sie und sendete sie zeitversetzt. Doch das Problem blieb bestehen. Eine Tradition wie der Fassanstich ist sperrig. Es dauert lange, es gibt keine Musik, keine Action auf der Bühne. Ein Schultes, der redet, dazu vier Burschen von der Brauerei, die ihr Sprüchlein aufsagen: Das ist mittlerweile nicht nur zu langweilig fürs Fernsehen, sondern auch fürs auf Party geeichte Publikum. Zumal, wenn es ordentlich gebechert hat. Im Vorjahr pfiffen und grölten Betrunkene während der Eröffnung, sie übertönten die Possen von Comedian Christoph Sonntag und die Rede von Kuhn. „Das war mehr als unangenehm für uns“, sagt Kroll.

Auch um dies zu vermeiden, verlegt man die Eröffnung nach vorne. Dies freut auch die Hüter der Tradition vom Cannstatter Volksfestverein. „Das war unser Vorschlag“, sagt der Vorsitzende Robert Kauderer, „das Spektakel vom Vorjahr war unwürdig.“ Jetzt fange das Volksfest wieder mit der Eröffnung an, „das ist ein Schritt in die richtige Richtung“. Und zu trinken gibt es erst etwas, wenn der OB zur Tat geschritten ist. Prosit!